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Süden und das grüne Haar des Todes

Süden und das grüne Haar des Todes

Titel: Süden und das grüne Haar des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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stützte die Arme auf der Lehne ab, ruckelte hin und her und legte die Hände dann in den Schoß. Das Ausharren auf dem für ihre Figur ungünstig konstruierten Stuhl bereitete ihr Unbehagen. Doch vermutlich war sie zu höflich, um sich ebenfalls aufs Sofa zu setzen. Ihr blaues Hauskleid zerknitterte mehr und mehr .
    »Einmal kam die Feuerwehr und fischte Ruth aus dem Wasser. Sie konnte gut schwimmen, aber wenn Hochwasser ist, wenns in den Bergen taut und die Massen ins Tal strömen, dann wird man weggeschwemmt wie nichts. Sie hat Glück gehabt, sie hat sich an einem Ast festklammern können, und der Ast ist nicht abgebrochen. Sie hing da ungefähr eine Stunde. Am Ufer standen die Schaulustigen, das kann man sich vorstellen, die haben die Feuerwehrleute angefeuert. Und ich hab nur gezittert. Ich weiß noch, ich war ganz nah am Wasser und hab immer nur zur Ruth hingeschaut. Sie war nicht weit weg, vielleicht zehn Meter. Hing an dem Ast wie ein Äffchen. Wie ein blondes Äffchen. Das war das Schlimmste: Wenn sie losgelassen hätte, wär sie ertrunken, ganz bestimmt, sie hat ja keine Kraft mehr gehabt. Nach einer Stunde fast! Ich entsinn mich, ich hab gedacht, wenn sie ertrinkt, schlägt mich die Mutter tot. Der Vater war im Krieg. Zum Glück. Er war noch strenger als die Mutter. Das war der schlimmste Tag meiner Kindheit und Jugend. Viel schlimmer als die Bombenangriffe, wenn wir in den Keller mussten. Schlimmer eigentlich auch als der Tag, an dem meine Mutter und ich uns sicher waren, dass Ruth für immer verschwunden bleiben würde. Seltsam, dass …«
    Mitten im Satz verstummte sie. Ihr dunkler Blick irrte zum Regal hinter Sonja, blieb dort und sprang, mit einem – wenn ich mich nicht täuschte – neuen, listigen Funkeln wieder zu mir. »Zwei Wochen Hausarrest! Für uns beide. Da war unsere Mutter gerecht.«
    Sie sah Sonja an und ruckte gedankenversunken mit dem Stuhl.
    »Und am liebsten zogen wir uns an den Haaren. Das war kein Spiel mehr. Wer als Erste anfing zu heulen, hatte verloren. Ich hab praktisch nie verloren. Dass ich mich jetzt ausgerechnet daran erinner!« Nach einer Pause sagte sie: »Das war, wie meine Enkelin sich ausdrücken würde, mega-bratal. Wo wir das herhatten! Es kommt mir vor, als hätten wir uns schon als Babys an den Haaren gezogen, immer schon. Als wollten wir uns gegenseitig skalpieren. Sie haben keine Vorstellung, wie das ausgesehen hat. Manchmal hatten wir hinterher ganze Büschel in der Hand.«
    Sie schaute ihre Hand an, während sie den Faden wieder aufnahm.
    »Ruth hatte eher blonde Haare, ich eher dunkle. Sie war hübscher als ich, eindeutig, die Buben lauerten eher ihr auf als mir. Aber ich hatte auch Verehrer! Die meisten waren älter als ich.«
    Wie aus Versehen huschte ein Lächeln über ihren Mund .
    »Das war aber, glaub ich, nicht der Grand, weshalb wir aufeinander losgegangen sind. Wie gesagt, das war kein Spiel mehr. Und wenn, dann ein seltsames. Unsere Mutter tadelte uns dafür und nannte uns die dümmsten Gören vom Lehel. Sie hatte übrigens rote Haare, leuchtend rot .
    Während des Krieges hat sie sie gefärbt, ich glaub, sie hat gedacht, wir merken das nicht. Weil, sie hat dauernd ein Kopftuch getragen. Auch noch, als der Krieg vorbei war.«
    Unvermittelt wandte sie mir den Kopf zu .
    »Wie alt sind Sie, wenn ich fragen darf?«
    Ich sagte: »Vierundvierzig.«
    »Und Sie?«, sagte sie zu Sonja .
    »Einundvierzig.«
    »Da war alles längst vorbei, als Sie geboren wurden. Einundvierzig. So alt war meine Mutter, als sie starb. Und ich wurde einen Tag später achtzehn. Da hab ich schon im Krankenhaus gearbeitet, das war eine gute Arbeit. Ist lang her.«
    Plötzlich erinnerte sie sich an die Zeitung, die sie mit beiden Händen im Schoß hielt. Sie senkte den Kopf, hob die Zeitung hoch und konzentrierte sich auf das Foto .
    »Wenn ich nicht sicher wär, dass sie tot ist … Wer ist die Frau?«
    »Steht drunter«, sagte Sonja. »Ihr Name ist Babette Halmar, sie wohnt in Ismaning, eine ehemalige Haushälterin.«
    »Freilich«, sagte Emmi Bregenz. »Entschuldigung. Ich war jetzt so in Gedanken. Babette Halmar. Das war wirklich ein Schock heut in der Früh, ein Mega-Schock, wenn ich ehrlich bin.«
    »Hatte Ihre Schwester am Kinn oder an einer anderen Stelle eine Narbe?«, fragte Sonja.
    »Sie war eine Wilde«, sagte Emmi Bregenz mit verschlossener Miene. »Aber ich seh da keine Narbe, Sie etwa?«
    Durch den Zeitungsdruck hatten sich die Kontraste noch mehr verwischt. Trotzdem

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