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Süden und das grüne Haar des Todes

Süden und das grüne Haar des Todes

Titel: Süden und das grüne Haar des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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die Küchentür auf .
    »Was tustn du da? Ja, drehst jetzt durch?«
    Am Herd stand ein dürrer alter Mann in einer beigen Trainingshose, einem braunen Rollkragenpullover und grauen Socken. Er hatte eingefallene Wangen, war kahlköpfig und rührte in einer Pfanne .
    »Gesund«, sagte er, ohne aufzuschauen. Wie mechanisch steuerte seine Hand den roten Kochlöffel durch einen Wust aus klein geschnittenen Knollen .
    »Was soll das werden?« Mit ihrer massigen Gestalt verdeckte Emmi Bregenz ihren schmächtigen Mann vollständig.
    »Ich mach mir ein Brot damit«, sagte er mit farbloser Stimme.
    »Und dann hockst du drei Stunden aufm Klo!«
    »Ich ess jetzt.«
    »Du gehst jetzt da weg, und ich mach Kaffee. Und begrüß endlich unsere Gäste, die Polizisten.«
    »Grüß Gott«, sagte er, dem Rühren hingegeben .
    »Keine Umstände«, sagte ich. »Sagen Sie uns nur noch, was es mit dem Schlafgott auf sich hat.«
    »Mit wem?«, sagte Max Bregenz.
    »Manchmal spinnt er!« Emmi drehte sich zu uns um. »Das ist aus einem Andersen-Märchen. Die hat die Ruth schon als Kind verschlungen. Gelesen hat sie nicht so gern, ich musst ihr vorlesen, sie hat sich jedes Wort gemerkt. Die Andersen-Märchen waren ihr die liebsten.«
    Den Kopf halb ihrem Mann zugewandt, sagte sie: »Wir haben viel über die Ruth gesprochen, und wie sie nicht nach Hause gekommen ist. Das Foto hat mich ganz durcheinander gebracht! Jetzt hab ich die Zeitung drüben vergessen.«
    »Ich hol sie Ihnen«, sagte Sonja.
    »Nein, die kommt da nicht weg. Sie haben Recht, Frau Feyerabend, wir haben uns getäuscht, die arme Frau hat halt eine Ähnlichkeit mit der Ruth. Obwohl wir das gar nicht wissen können. War nur so eine Vorstellung. Gell, Max?«
    Der alte Mann klopfte mit dem Kochlöffel auf den Pfannenrand und nickte zufrieden .
    »Wir danken Ihnen für Ihre Zeit«, sagte ich .
    Max fuchtelte mit dem Kochlöffel nah an Emmis Kopf .
    »Habt ihr über den Schmarrn-Beni auch gesprochen?«
    »Pass doch auf!« Sie riss ihm den Löffel aus der Hand und warf diesen in die Spüle, in der sich Teller stapelten .
    Ich sagte: »Wer ist der Schmarrn-Beni?«
    »Den können Sie vergessen«, sagte Emmi und schob, wie selbstverständlich, ihren Mann zum Tisch. Max ging in die Hocke, und Emmi legte ihre breite Hand auf seine knochige Schulter und drückte ihn auf den Stuhl. Er brummte, und es hörte sich nicht unglücklich an. Anschließend schaltete sie die Herdplatte aus und stellte die Pfanne auf ein rundes Brett.
    »Die andern Buben haben ihn früher so genannt, weil er immer Unfug im Kopf gehabt hat. In Wahrheit heißt er Gabriel. Jetzt hab ich seinen Nachnamen vergessen! Der wohnte bei uns in der Gegend. Ruth hat ihn auch gekannt, er hat oft bei uns …«
    »Sebald«, sagte Max Bregenz über den Tisch gebeugt. Auf der Platte lag eine weißblau karierte Decke .
    »Sebald, genau«, sagte Emmi. »Weshalb hätten wir über den sprechen sollen? Von dem hab ich ewig nichts mehr gehört. Viele von früher sind schon gestorben. Die meisten. Und wir haben kaum noch zu jemand Kontakt. Wir sind ganz zufrieden mit uns. Gell, Max?«
    Er nickte dem Tisch zu.
    Bevor das Schweigen Überhand nahm, verabschiedeten wir uns. Den Namen des ehemaligen Freundes hatte ich in meinem kleinen Block notiert .
    Ausnahmsweise regnete es nicht.
    »Ist dir das blaue Kleid aufgefallen?«, sagte ich .
    Wir ließen das 1901 erbaute vierstöckige Haus mit der runden Uhr am Giebel hinter uns und gingen durch die Adelgundenstraße auf ein im Bürklein-Stil errichtetes Gebäude zu, in dem die Regierung von Oberbayern untergebracht war.
    »Was ist mit dem Kleid?«, sagte Sonja .
    »Die Farbe hat mich an das Blau erinnert, mit dem die Nachbarn den Mantel und den Hut von Babette Halmar beschrieben haben.«
    Sonja erwiderte nichts. Nach einer Weile sagte sie: »Hatten wir neulich nicht eine Vermissung von einem Gabriel Sebald?«
    Ich sagte: »Dem Schmarrn-Beni?«
    Wir schwiegen.
    Kurz vor der Maximilianstraße sagte Sonja: »Ich kenn nur einen Schmarrn-Beni.«
    Der, den sie meinte, hatte an diesem Montag frei, und ich wusste, er verbrachte den Tag in der Unfreiheit seiner Trunksucht.
    Von der Haltestelle Maxmonument fuhren wir mit der Straßenbahn bis zum Hauptbahnhof. Gegenüber dem Südeingang befand sich in einem hässlichen Sechzigerjahrebau mit trostloser Fensterfront das Dezernat 11. Auf das Foto in der Zeitung hin hatten sich mittlerweile zwei Dutzend Anrufer gemeldet, die meisten aus Ismaning, keiner von ihnen

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