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Süden und der glückliche Winkel

Süden und der glückliche Winkel

Titel: Süden und der glückliche Winkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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dem Tisch, an den ich mich gesetzt hatte, mit glühendem Kopf von seinem Fahrrad. Das Klappern des verrosteten Schutzblechs war schon auf hundert Meter Entfernung zu hören gewesen. Er befestigte ein billiges Reifenschloss am Rahmen, klemmte die Luftpumpe aus der Halterung und nahm die Plastiktüte, in der er etwas transportierte, aus dem Gepäckträgerkorb.
    Wir stellten uns vor, und er legte Pumpe und Tüte auf den dritten Stuhl am Tisch.
    »Weißbier«, sagte er zum gebückt gehenden Kellner.
    »Kennen Sie diesen Mann?«, fragte ich den Griechen. Er betrachtete ihn. »Nein«, sagte er.
    »Waren Sie schon öfter hier?«, fragte ich Stamm.
    »Eher selten.«
    »Danke«, sagte ich zum Kellner.
    »Hab ich mir gleich gedacht, dass das Ärger gibt«, sagte Stamm.
    »Sie meinen, weil Sie bei uns angerufen haben.«
    »Ich hab zu meinen Spezln gesagt, ich wollt der Polizei einen Gefallen tun, und jetzt werd ich fast mit Handschellen abgeholt.«
    »Übertreibungsexperte?«, sagte ich.
    »Ist doch so!« Er griff in die Tüte und kramte eine Schachtel Ernte und ein Feuerzeug hervor.
    »Sie haben ein Fernglas dabei«, sagte ich. Nachdem der Kellner das Weizenbier gebracht hatte, drehte Stamm das Bierglas in der Hand, öffnete den Mund, setzte an und nahm einen beachtlichen Zug. Dann wischte er sich mit dem Handrücken den Schaum von den Lippen und aus dem Schnurrbart und zündete sich eine Zigarette an. »So ein Fernglas ist wichtig am Flaucher«, sagte er und betrachtete mich ausgiebig. Vielleicht ging auch nur der Voyeur mit ihm durch.
    »Alles in Ordnung?«, sagte ich.
    »Ohne dass Sie mich jetzt falsch verstehen, haben Sie einen Ausweis dabei?«
    »Ja«, sagte ich und zeigte ihm das blaue Plastikteil.
    »Passt schon«, sagte Stamm. »Man liest ja oft von Polizisten, die keine sind, die haben eine Uniform an und klauen den alten Leuten das Geld, weil die gutgläubig sind. Ich bin übrigens der Ebbe. Sie können Ebbe zu mir sagen, das passt schon. Ihren Namen hab ich jetzt vergessen.«
    »Tabor Süden.«
    »Richtig.«
    Ich legte das Foto auf den Tisch. »Dieser Mann saß gestern hier«, sagte ich.
    »Da vorn«, sagte Stamm und nickte in Richtung der Parkplätze.
    »Wann war das?«
    »Vier rum.«
    »Sechzehn Uhr.«
    »Vier rum oder halb fünf, ungefähr«, sagte Stamm. Gegen fünfzehn Uhr, hatte der Zeuge aus der Heiliggeistkirche ausgesagt, habe er Korbinian vor dem Altar bemerkt.
    »Und er saß am letzten Tisch dieser Reihe«, sagte ich.
    »Da vorn.«
    »Mit dem Strohhut auf dem Kopf.«
    »Strohhut auf, hellblaues Hemd, so hab ichs Ihrer Kollegin wahrheitsgemäß gesagt.«
    Von den Kellnern hatte ihn keiner gesehen, zumindest konnten sie sich nicht an ihn erinnern, trotz des auffälligen Hemdes und des Hutes, und der Wirt versicherte, er wolle mich sofort anrufen, falls der Mann noch einmal auftauche, versprechen könne er jedoch nichts, da zur Zeit von früh bis spät Hochbetrieb in seiner Taverne herrsche. Das freute mich für ihn.
    Ich setzte mich an den Tisch, den Ebbe mir gezeigt hatte. Für einen wie mich, der am liebsten am Rand saß, sogar im leeren Kino in der Nachmittagsvorstellung, war dieser Platz sofort der einzig denkbare. Der gebückt gehende Kellner sah misstrauisch zu mir her, wenig später streckte auch sein Kollege den Kopf aus der Tür, und ich war mir sicher, dass mich der Wirt vom Fenster aus beobachtete.
    Ebbe Stamm hob sein Bierglas und prostete mir über vier Tische hinweg zu. Anders als gewöhnlich saß ich mit gestrecktem Rücken auf dem Stuhl, einem wackligen, harten Klappstuhl, legte die Hände auf den Tisch und schaute an den Menschen vorbei. Kein Glas stand vor mir, kein Teller, nicht einmal eine Speisekarte lag da, hier hätte ebenso gut niemand sitzen können. Regungslos wartete ich auf nichts. In der Filmstadt München hätte ich ein Statist sein können, der anstelle des Hauptdarstellers ausgeleuchtet wurde und sich nicht bewegen durfte, und weil dieser nicht erschien, blieb ich einfach sitzen und synchronisierte zumindest sein Schweigen.
    »Wollen Sie noch was trinken?«, fragte der Kellner mit dem Goldzahn. Der andere lehnte an der Tür, obwohl inzwischen neue Gäste darauf warteten, bedient zu werden.
    »Ich bezahle«, sagte ich. »Auch das Weißbier des Herrn.« Es klang, als würde ich Gott einen Humpen spendieren , und der Kellner nahm das Trinkgeld mit einem gläubigen Lächeln entgegen.
    »Was passiert jetzt?«, sagte Eberhard Stumm und klopfte auf den Sattel seines Fahrrads. Die

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