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Süden und der Luftgitarrist

Süden und der Luftgitarrist

Titel: Süden und der Luftgitarrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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er:
    »Hätt ich nicht gedacht, dass sie mitgeht. Ich hätt gedacht, sie geniert sich.«
    Ich sagte: »Ich auch.«
    Martin trat seine Zigarette aus. »Hoffentlich nutzt uns die Frau was, ich will mit dem Vagabond morgen auf der Bühne stehen!«
    »Wann hat Edward Loos Sie besucht, Frau Viellieber?«, sagte ich.
    »Gestern«, sagte sie. »Gestern Abend.«

8
    E twas an mir musste Marga verzückt haben. Sie fläzte sich auf meinen Schoß, schmiegte sich an meinen nicht unwesentlichen Bauch, und schreckte auch dann nicht auf, wenn ich schnell einige Notizen auf meinem kleinen Block machte und mich vorbeugte, um ihn wieder auf den Tisch zu legen. Hin und wieder schnurrte die schwarze, schwere Katze mit dem weißen Punkt auf der Stirn, und dann knurrte mein Magen freundlich zurück, oder umgekehrt.
    Zu dritt saßen wir an dem Tisch mit der blauen Tischdecke und tranken aus chinesischen Teeschalen, Martin gegenüber von Genoveva Viellieber, ich an der Schmalseite mit Blick auf einen runden, weiß gedeckten Tisch, auf dem mehrere Vasen mit roten, weißen und gelben Rosen standen, daran gelehnt einzelne Kunstdruckkarten, die offensichtlich zu den Schachteln und Gegenständen gehörten, die um die Vasen herum drapiert waren.
    Genoveva Viellieber trug zu ihrem blauen Kleid ein rotes, dezent glänzendes Tuch, das sie über die Schultern geworfen hatte. Sie war eine zierliche Person und hatte schmale Hände, ein offenes Gesicht mit weichen Zügen und ungewöhnlich breite, rot geschminkte Lippen. Wenn Martin oder ich etwas sagten, sah sie uns intensiv an, als konzentriere sie sich auf jede Silbe, und bevor sie antwortete, zögerte sie jedes Mal wie jemand, der am liebsten geschwiegen hätte. Und auch beim Sprechen richtete sie ihren Blick immer nur auf einen von uns, nie wechselte er zwischen uns wie etwa der von Mildred Loos. Mir war dieses eigentümliche Verhalten schon an der Tür aufgefallen, auch dass sie zweimal auf eine Äußerung von mir hin nachgefragt hatte, obwohl ich dicht hinter ihr ging und mit normaler Lautstärke sprach. Seit wir am Tisch saßen, schien sie jedoch jedes Wort zu verstehen.
    »Erklären Sie uns, was Sie damit meinen, er habe auf Sie einen verwirrten Eindruck gemacht«, sagte Martin, der die grüne Mappe mit der Vermisstenanzeige und seinen großen Block vor sich liegen hatte.
    »Er konnte nicht fassen, dass niemand weiß, wo sein Halbbruder steckt«, sagte Genoveva Viellieber und sah Martin in die Augen. »Ich sagte ihm, ich wüsste es auch nicht. Er hat hier gesessen, wie Sie, und ich hab ihm ein Bier gebracht, und er hat es in zwei Schlucken ausgetrunken, er wirkte sehr durcheinander.«
    »Wann haben Sie Aladin Toulouse zum letzten Mal gesehen?«, sagte Martin.
    Sie gab nicht sofort eine Antwort. »Das weiß ich nicht mehr«, sagte sie dann. »Lange her.«
    »Wie lange?«, sagte Martin.
    »Wahrscheinlich ein Jahr.«
    »Woher kennen Sie ihn?«
    »Er hatte ein Konto bei unserer Bank«, sagte Genoveva Viellieber.
    »Jetzt nicht mehr?«, sagte Martin.
    »Doch«, sagte sie. »Aber es ist nicht mehr viel drauf.«
    »Edward Loos hatte Ihre Adresse von Erik Hollender, so wie wir«, sagte Martin.
    Nach einigem Nachdenken sagte sie: »Das hab ich ihn nicht gefragt.«
    »Sie haben ihn nicht gefragt?«, sagte Martin.
    »Nein.« Sie sah ihn weiter an, während sie einen Schluck Tee trank.
    »Hat er gesagt, wo er überall nach Aladin gesucht hat?«
    »Bei seiner Mutter«, sagte sie. »Er fragte auch in seinem Haus nach, die Leute dort hatten keine Ahnung. Er hat sogar beim Verein angerufen. Aber Aladin hat schon lange jeden Kontakt abgebrochen.«
    »Woher wissen Sie das?«, fragte Martin.
    »Bitte?«
    Sie schaute jetzt mich an und schien über Martins Frage irritiert zu sein. Sie strich sich über die Hände, wandte sich von mir ab und sah zuerst angestrengt Martins Block mit den Aufzeichnungen an, dann in sein Gesicht.
    »Was meinen Sie bitte, was weiß ich?«, sagte sie.
    »Woher wissen Sie, dass Aladin keinen Kontakt zu seinem ehemaligen Verein hat?«
    »Er hat es mir in der Bank erzählt, schon vor langem.«
    »Gut«, sagte Martin. Er schrieb ein paar Sätze auf, legte den Kugelschreiber hin und lehnte sich zurück. Wenn er den Entspannten gab, womöglich seinen Haarkranz ordnete und, so wie jetzt, die Daunenjacke ablegte, was er normalerweise in keiner noch so überheizten Wohnung tat, verwandelte er sich innerlich in einen Terminator der Ungeduld. Ganz gleich, wie raffiniert und hinterhältig die Lügen

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