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Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel

Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel

Titel: Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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gesagt, du bist noch da und bleibst eine zweite Nacht. Warum?«
    Ich sagte: »Ich habe Urlaub.«
    »Ich dacht schon, es wär wegen der kleinen Anna Jagoda . Die Soko und die Taginger Kollegen haben heute über INPOL eine neue Erklärung verschickt, wegen des ersten Jahrestags. Die stehen übel unter Druck.«
    »Ich habe mit dem Vater gesprochen«, sagte ich .
    »Steigst du in den Fall ein?«, sagte Martin und wandte mir zum ersten Mal sein Gesicht zu. Sofort hatte ich den Eindruck, dass es grauer und schmaler geworden war, noch grauer, noch schmaler .
    »Ich glaube nicht«, sagte ich.
    »Den Satz hab ich von dir noch nie gehört. Ja oder nein?«
    »Wir sind nicht zuständig.«
    Martin rauchte, trank sein Glas leer, behielt es mit der Zigarette in der Hand. »Dann misch dich nicht ein.«
    »Das Mädchen hat einen schwarzen Mann gezeichnet«, sagte ich. »Und es hatte Angst. Aber das interessiert ihren Vater nicht.«
    »Und ihre Mutter?«, sagte Martin .
    »Ich habe nicht mit ihr gesprochen.«
    Wir schwiegen.
    »Besuchst du deine Eltern?«, sagte ich dann .
    »Morgen früh.«
    Er klopfte mit dem leeren Glas ans Fenster hinter sich .
    »Alles in Ordnung auf dem Friedhof?«
    »Ja«, sagte ich. »Jemand hat Rosen hingestellt und eine Kerze angezündet.«
    Martin wischte sich mit beiden Händen den Schweiß aus dem Gesicht und hustete und klopfte sich auf die Oberschenkel. »Vielleicht dein Vater«, sagte er und grinste .
    Über diese Bemerkung erschrak ich maßlos.
    Vielleicht hätte mich mein Schrecken auf den Friedhof getrieben, damit ich nachsehen konnte, ob der Mann im weiten Mantel wieder am Container stand, hätte Irmi nicht zwei uniformierte Polizisten auf die Terrasse geführt und mit der Hand auf Martin und mich gezeigt .
    »Herr Süden rechts, Herr Heuer links«, sagte sie gestelzt .
    »Grüß Gott, Kollegen«, sagte der Ältere der beiden. »Hoferer, Xaver, von der PI Taging, das ist mein Kollege Pulk, Hannes. Entschuldigt die Störung, Kollegen!«
    Wir standen auf und gaben ihnen die Hand. Pulk zupfte sich an der Augenbraue und musterte Martin, der leicht wankte, mit einer Mischung aus Verwunderung und Abschätzigkeit. Den Sternen auf ihren Schulterklappen nach war Hoferer Polizeihauptmeister und Pulk Obermeister. Vorschriftsgemäß trugen sie ihre Mützen, was ihnen, wie ich fand, ein kostümiertes Aussehen verlieh .
    »Unangenehme Sache, Kollege Süden«, sagte Hoferer.
    »Nehmt doch Platz!«, sagte Martin mit munterer Stimme .
    Pulks Blicke waren ihm nicht entgangen.
    »Nicht nötig«, sagte Pulk.
    »Die Sache ist: Waren Sie heut unten am See und haben mit einem kleinen Mädchen gesprochen?«, sagte Hoferer .
    »Ja«, sagte ich.
    »Dann ist alles in Ordnung«, sagte Hoferer, in dessen Schnurrbart Schweißtropfen hingen .
    »War das Mädchen allein?«, fragte Pulk .
    Beinah hätte ich über diese eifernde Frage gelacht .
    »Nein«, sagte ich. »Sie und ihre Freundinnen sind aus Dietramszell. Wie haben Sie mich hier gefunden, Kollegen?«
    »Sache ist erledigt«, sagte Hoferer und tippte an seine Mütze. »Die Mutter des Mädchens und ihr Vater sind mit ihrer Tochter zu uns auf die Dienststelle gekommen, ein unbekannter Mann habe das Mädchen angesprochen, genau da, wo die Anna verschwunden ist. Die waren halt etwas aufgeregt. Das Mädchen hat eine blitzsaubere Beschreibung von Ihnen geben können, Kollege. Die Mähne, also die langen Haare, das war die Formulierung des Mädchens, entschuldigen Sie, also die Haare, das Gesicht, Bartstoppeln etcetera, die geschnürte Hose, Hemd, Lederjacke. Stimmt alles genau.«
    »Sauber«, sagte Martin und setzte eine beeindruckte Miene auf.
    »Genau«, sagte Pulk. »Wieso haben Sie dem Mädchen Ihren Ausweis nicht gezeigt, Kollege? Das hätten Sie doch tun können!«
    »Keine Lust«, sagte ich .
    »Was?«, sagte Pulk.
    »Ich hatte keine Lust meinen Ausweis zu zeigen.«
    »Das ist doch …« Nur mit Mühe gelang es Pulk, nicht weiterzusprechen.
    »Das Mädchen hat dann gesagt, dass noch ein Bub dabei war, den sie am See getroffen haben«, fuhr Hoferer fort, ohne auf meine Bemerkung einzugehen. »Peter heißt der …« Er sah seinen Kollegen an. »Und du hast ihn nach der Beschreibung erkannt.«
    Pulk zupfte an der linken Augenbraue. »Genau, ungefähr, mehr eine Vermutung. Der Buck Peter. Ich hab bei ihm daheim angerufen, er hat alles bestätigt. Sie hätten mit ihm über die kleine Anna gesprochen, und da hat der Xaver die Idee gehabt, den Herrn Jagoda anzurufen, ob sich bei

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