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Süden und der Straßenbahntrinker

Süden und der Straßenbahntrinker

Titel: Süden und der Straßenbahntrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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sauber hinterher! Der hat sich was anhören müssen! So eine Unverschämtheit! Er hat behauptet, er wollte die Kanne zurückbringen. Da lach ich ja! Lügen auch noch!«
    »Sehr gut«, sagte ich.
    »Wenn die Polizei schon nichts tut, dann muss man selber was tun«, sagte Frau Schuster.
    »Ganz genau«, sagte ich.
    »Loben Sie mich mal!«
    Ich sagte: »Lob und Anerkennung.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Sie nehmen mich nicht ernst, Herr Süden.« Dann runzelte sie die Stirn. »Irgendwie sehen Sie anders aus heut.«
    »Wie denn?«
    »Anders. So…« Sie hob die Kanne, schwenkte sie hin und her, betrachtete mich von oben bis unten. »Ich weiß nicht… Waren Sie wieder recht aushäusig, Herr Süden?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Sehen Sie, das seh ich Ihnen an!«
    »Wiedersehen«, sagte ich.
    »Wiedersehen.«
    Am Giesinger Bahnhof stieg ich in die Straßenbahn, setzte mich auf einen Einzelplatz am Fenster und ärgerte mich, weil ich vergessen hatte eine Zeitung zu kaufen. An der nächsten Haltestelle sprang eine Gruppe Schüler aus dem Asamgymnasium in den Waggon. Sie redeten laut aufeinander ein, und einer von ihnen rempelte mich aus Versehen an.
    »Tschuldigung«, sagte der Junge schnell.
    Durch den Stoß hatte ich den Kopf zum Fenster gedreht. In der Tram, die gerade in entgegengesetzter Richtung vorbeifuhr, saß eine gelbe Gestalt. Eine Sekunde lang sahen wir uns ins Gesicht.
    Ich sprang auf und rannte zum Fahrer.
    »Polizei! Halten Sie bitte sofort an!«
    »Wir sind gleich da.«
    »Sofort!«
    »Ich darf auf offener Strecke nicht halten. Wir sind doch gleich da!«
    Nach dreihundert Metern hielt die Bahn gegenüber der Aussegnungshalle des Ostfriedhofs.
    Es kam mir unsinnig vor, die ganze Strecke zurückzulaufen. Im Friesennerz seiner Exfreundin hatte ich Jeremias Holzapfel an mir vorbeifahren lassen. Und bis ich mich auf den Weg gemacht hätte, wäre er verschwunden gewesen. Wieder einmal. Vor meinen Augen.
    »Tut mir leid«, sagte der Straßenbahnfahrer. »Das sind halt die Vorschriften.«
    Ich war so wütend, dass ich den Rest des Weges zur Wörthstraße, ungefähr zwei Kilometer, zu Fuß zurücklegte.
    Kurz bevor ich das Haus erreichte, fing es wieder an zu regnen. Ich beeilte mich und blieb in der Einfahrt stehen.
    Im Erdgeschoß befand sich ein kurdisches Restaurant, in dem ich einmal gemeinsam mit Ute den Bauchtanz eines wahrhaft »wendigen« Mannes miterlebt hatte.
    Durch den Hinterhof gelangte ich zu der Tür, an der unter anderem der Name Hrubesch stand. Die Tür war offen. Im Treppenhaus roch es nach Essen. Ich stieg in den dritten Stock hinauf, vorbei an bunt bemalten Namensschildern, zerfledderten Taschenbüchern, die jemand zum Verschenken auf verschiedene Fensterbretter gelegt hatte, und einem kleinen Mädchen, das umständlich mit dem Schlüssel an der Wohnungstür hantierte.
    »Soll ich dir helfen?«, fragte ich.
    »Nein«, sagte sie.
    Der Schlüssel fiel ihr zu Boden, und sie fluchte. Auf dem Rücken trug sie einen roten Schulranzen mit der Aufschrift: »Supergirl«. Trotz aller Mühen gelang es ihr nicht aufzusperren. Ich war schon auf der Treppe nach oben und ging noch einmal zurück.
    »Ich helf dir«, sagte ich.
    Sie schenkte mir einen finsteren Blick, schob die Unterlippe vor und verengte die Augen. Beinah hätte ich lachen müssen.
    »Ich tu dir nichts«, sagte ich. Der Schlüssel passte nicht.
    »Das ist der falsche«, sagte ich.
    Sie sagte: »Du spinnst ja!«, und riss mir den Schlüssel aus der Hand.
    Nebenan ging eine Tür auf. Eine junge Frau streckte den Kopf heraus.
    »Was will der Mann von dir, Sandra?«
    »Ich wollte ihr helfen«, sagte ich.
    Die Frau traute mir nicht im geringsten. Also hielt ich ihr mein Autoritätsplastikteil vor die Nase.
    »Sie sind Polizist?«
    »Ja.«
    Inzwischen hatte Sandra eingesehen, dass der Schlüssel nicht passte.
    »Da hat Claudia ihr wieder den falschen Schlüssel gegeben«, sagte die Frau. »Du kannst bei mir warten, Sandra. Ich mach dir was zu essen.«
    »Super«, sagte das Mädchen und drängte sich an mir vorbei in die Wohnung.
    »Kennen Sie Frau Hrubesch?«, sagte ich.
    »Natürlich, sie wohnt einen Stock höher, ist was passiert?«
    »Ist sie da?«
    »Haben Sie schon geklingelt?«
    »Nein.«
    »Ich hab sie seit ein paar Tagen nicht gesehen«, sagte die Frau, an deren Tür kein Namensschild war. »Ihren Freund auch nicht, den Jeremias. Vielleicht sind sie verreist. Obwohl… gestern, nein, was ist heut…«
    »Dienstag«, sagte ich.
    »Vorgestern war er

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