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Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Süden und die Frau mit dem harten Kleid

Titel: Süden und die Frau mit dem harten Kleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Was wusste ich von dir?
    Nach unserer Begegnung bist du im schmierigen Morgen verschwunden, und ich fand dich nicht mehr. Natürlich bemühte ich mich, dir zu folgen. Vergebens. An welcher Stelle hast du den Park verlassen? Natürlich nahmst du einen geheimen Weg, du ahntest, ich würde dich verfolgen .
    Außerdem war ich erschöpft gewesen, voller brodelnder Gedanken. Wie deine Mutter.
    »Zeitpunkt der Abgängigkeit: Freitag, siebzehnter November«, sagte Weber. Neben ihm schrieb Freya auf einem großen karierten Block jedes Wort mit. Erst im Dezernat würde sie die Angaben auf das offizielle Formular übertragen und das Fernschreiben an andere Dienststellen mit denselben Daten versehen .
    »Donnerstagnacht ist sie nicht nach Hause gekommen«, sagte deine Mutter.
    Freya hielt beim Schreiben inne und warf mir einen Blick zu.
    »Kommt sie sonst jede Nacht nach Hause?«, fragte Weber.
    »Ja.«
    Ich sah, dass Weber schwitzte. Er trug sein dunkles Sonntagssakko und eine schwarze Krawatte über dem weißen Hemd, er trauerte, wie du weißt, und die Arbeit war für ihn ein großer Verband, in den er seinen Schmerz wickelte. Gewöhnlich lief er in karierten Hemden und Kniebundhosen herum, die Ärmel hochgekrempelt, sodass man seine behaarten Unterarme sah, und in eurem Wohnzimmer, wo er so offensichtlich in seiner Funktion als Hauptkommissar saß, fragte ich mich, ob er seine übliche Kleidung je wieder anziehen, je wieder eine einzige Person sein würde und nicht länger tagsüber ein professioneller Kriminalist und nachts ein verunglückter Mann, der vergessen hat, wie das Leben geht.
    »Ort der Abgängigkeit, Frau Woelk«, sagte er, unvermindert ruhig und Wort für Wort bedächtig. »Was sollen wir da schreiben? München? Oder Ihre Adresse? Oder wissen Sie, wo sich Ihre Tochter in der Nacht zum Freitag aufgehalten hat?«
    Nach einer langen Pause sagte deine Mutter: »Sie war bestimmt singen.«
    Über Freyas Aufzeichnungen standen oben links auf dem Block zwei Namen: »Eva Woelk« und »Liane Woelk«, und nun machte sie einen Pfeil, der auf deinen Namen zeigte, und notierte: »Singt.«
    Bevor ich aufstand, nachdem ich der jungen Oberkommissarin über die Schulter gesehen hatte, hob deine Mutter den Kopf in meine Richtung und sagte: »Lili singt gern.«
    Wieder und wieder klang diese Bemerkung in mir nach, und ich stellte mich ans Fenster, lehnte mich rücklings gegen das Marmorbrett und legte den Kopf in den Nacken. Vermutlich irritierte ich Freya damit, denn sie sah längere Zeit zu mir her, was mir nicht entging, obwohl ich zur Decke blickte. Dagegen reagierten weder mein Kollege noch deine Mutter auf irgendeine Weise. Weber kannte meine Angewohnheiten, und deine Mutter war gewiss dankbar für die unerschütterliche Nähe, die ihr dieser bullige Polizist bot, und sie wollte sich durch nichts ablenken lassen.
    »In welchen Lokalen singt Lili gern?«, fragte Weber .
    Ich lächelte zur Decke hinauf. Mit denselben Worten hätte ich die Frage gestellt, und ich hätte sie deshalb so gestellt, weil Weber mir beigebracht hatte, auch auf die kleinen Worte zu achten, auf jene, die den Leuten, von denen wir etwas erfahren wollen, herausrutschen, unzensiert vom Verstand, aus einer Herzensnische .
    Lili singt gern.
    In welchen Lokalen singt Lili gern?
    »Im ›Nachtcafé‹«, sagte deine Mutter .
    »›Nachtcafé‹ am Maximiliansplatz«, sagte Weber zu Freya.
    »Sie kennen das Lokal?«, fragte deine Mutter .
    »Ich hab da schon Jazz gehört«, sagte Weber.
    »Ich war auch schon da«, sagte deine Mutter. »Ich hab Lili zugehört, sie singt aber keinen Jazz, das ist rockiger, was sie macht, die haben zwei Elektrogitarren in der Band, einen Bassisten, eine Geigerin und einen Klavierspieler …«
    Sie schaute auf den Tisch, schüttelte den Kopf und öffnete einen Spalt breit den Mund. »Und einen Schlagzeuger natürlich. Und Lili singt solo.«
    Über sich selbst verwundert, sah sie uns einen nach dem anderen an. Verlegen malte Freya Kringel auf ihren Block. Weber verharrte wie festgeklebt auf seinem Stuhl, und ich ließ deine Mutter nicht aus den Augen. Wie mir schien, traute sie sich nicht, den Blick abzuwenden, und so verschränkte ich die Arme hinter dem Rücken und neigte mich vor.
    »Für Ihre Anzeige brauchen wir noch einige Informationen«, sagte ich.
    Deine Mutter bewegte sich nicht .
    »Wir müssen einen Grund für das Verschwinden Ihrer Tochter angeben. Warum, glauben Sie, ist sie nicht nach Hause gekommen?«
    Noch immer

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