Süden und die Frau mit dem harten Kleid
Teekanne und die Tassen, schien angestrengt nachzudenken und sah dann mit einem Ruck ihres Kopfes Freya an, die zusammenzuckte .
»Möchten Sie etwas essen?«
Freya sagte: »Nein, danke.«
Weber stand immer noch am Fenster, ich in der Nähe der Tür.
Schließlich setzte sich mein Kollege wieder hin, Freya stellte den Recorder an, nahm den Kugelschreiber, und Weber setzte die Befragung nach den Umständen deines Verschwindens fort, versuchte Hinweise auf die Fluchtrichtung herauszufinden und spulte die gesamte Liste ab, die er schon tausende Male abgespult hatte. Am Ende war er enttäuscht. Bevor Freya es tun konnte, schaltete er den Recorder aus, stöhnte, zog ein großes kariertes Taschentuch aus der Hose und tupfte sich die Stirn ab.
Die ganze Zeit über hatte ich an der Wand gelehnt und geschwiegen.
»Frau Woelk«, begann Weber von neuem. Das Taschentuch hatte er noch in der Hand, mit seinem Stift klopfte er auf die Tischplatte. »Wie Sie selber gesagt haben, Ihre Tochter ist volljährig, sie hat das Recht wegzubleiben, so lange sie will. Ich hab Ihnen erklärt, dass wir nur unter ganz bestimmten Umständen eine Fahndung rausgeben können, und im Moment sieht es einfach nicht danach aus, dass Ihrer Tochter was zugestoßen ist. Mein Kollege …« Ohne sich umzudrehen, zeigte er mit dem Stift auf mich. »… hat mit Ihrer Tochter heute Nacht gesprochen, sie war wohlauf. Und gestern hat mein Kollege sie in einem Lokal gesehen, sie ist anscheinend mit Freunden unterwegs. Sie wird wiederkommen. Sicher steht sie spätestens morgen wieder vor Ihrer Tür. Es geht ihr bestimmt gut.«
»Das können Sie doch gar nicht wissen«, sagte deine Mutter mit dünner Stimme .
»Doch«, sagte Weber. »Ich weiß es. So ist es.«
Das meinte er nicht so. Er war in keiner Weise davon überzeugt, dass alles in Ordnung war. Natürlich dachte er darüber nach, wie dein Verschwinden mit dem deines Vaters zusammenhing, natürlich hatte er nicht die Absicht, sich auf dein Alter herauszureden, für ihn spielte es keine Rolle, dass du neunzehn und volljährig bist, für ihn bist du ein Kind, und ein verschwundenes Kind bedeutet oberste Alarmstufe, kein Zaudern, kein Abwägen.
Wie ich ihn einschätzte, war er am Ende seiner Kräfte. Jeden Tag der Woche war er im Büro gewesen, auch Samstag und Sonntag, zwei Wochen hintereinander. In Gedanken redete er ständig mit seiner Frau, dem Tod und mit Gott, und niemand antwortete ihm, und nun brach das Leid deiner Mutter über ihn herein, die körperlich so geschunden war wie seelisch und der er nicht helfen konnte, weil sie es nicht zuließ.
Ich ging zum Fenster und öffnete es. Kalte Luft strömte herein und minderte für Augenblicke die Gewichte im Zimmer.
Freya lächelte deiner Mutter zu. Weber lehnte sich zurück und strich sich über den runden Bauch. Ich stand mit dem Rücken zu den anderen und atmete, den Kopf im Nacken, mit offenem Mund die frische Luft ein.
Ich hörte deine Mutter sagen: »Ich bin schuld. Ich hätt nicht reden dürfen. Ich allein bin schuld.«
12
W ir standen auf der Straße, traten von einem Fuß auf den anderen und warfen Blicke zu unseren beiden Dienstwagen, die wir vor dem Grundstück des »Palais Romeo & Julia« im Abstand von hundert Metern geparkt hatten und in denen die Standheizung absolut funktionierte.
Möchtest du in einem dieser in dezentem Weiß und Grau gestrichenen Häuser wohnen, Galerie im Dachgeschoß, Marmorbäder, Parkettböden, Fußbodenheizung? Falls das alles stimmt, was auf der großen Tafel am Zaun steht. Sicher sehr hell innen. Und von außen videoüberwacht! Dagegen wirkt euer Zwölfparteienblock nebenan wie ein tumber Vorstadtkasten.
Seit zehn Minuten trabten wir unbeeindruckt von Romeo und Julia aus Beton auf der Stelle. Was mich betraf, so setzte ich mich deshalb nicht ins Auto, weil ich noch etwas vorhatte. Weber setzte sich dem bissigen Ostwind aus, weil er vielleicht nicht schon wieder in einem geschlossenen Raum hocken wollte, und Freya Epp schlotterte in ihrer Funktion als Untergebene .
Von weit her roch ich Schnee .
Aus irgendeinem Grund schüttelte Weber den Kopf .
»Das Mädchen«, sagte ich, »hat nicht gelogen, sie hat Johann Farak verschwiegen, dass er ihr Vater ist. Aber sie will es ihm sagen, deswegen sucht sie ihn.«
»Wo?«, sagte Weber laut. Er hatte den Kragen seines Lodenmantels hochgeschlagen, was zu einem kuriosen Knick seiner stark geröteten Ohren führte. Er machte einen missmutigen Eindruck.
»Und …
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