Suehne
Bruder hatte man bereits auf der Straße vor Bäckströms Haustür eine rasche Diagnose gestellt. Nasenbeinbruch, eventuell ein paar gebrochene Rippen und gebrochene Finger der rechten Hand. Nichts, womit das Personal des Untersuchungsgefängnisses nicht auch fertig wurde. Während der kurzen Fahrt im Mannschaftswagen war er ohnmächtig geworden und vom Sitz gefallen. Erst hatten alle geglaubt, er würde nur »den Affen geben«, aber dann hatte man ihn ebenfalls ins Karolinska-Krankenhaus gefahren, und eine Stunde später hatte er ebenfalls auf dem Operationstisch gelegen. Rechtsseitig mehrere gebrochene Rippen, punktierte Lunge und akuten Lungenkollaps. Er war jedoch in einer bedeutend besseren Verfassung als sein älterer Bruder und sein Cousin.
»Er kommt mit Sicherheit durch«, stellte der Chirurg fest, mit dem Honkamäki sprach. »Falls nicht etwas Unerwartetes eintritt natürlich nur.« Das sagten die Mediziner immer. Nasir Ibrahim war tot. Man hatte ihn gefoltert, vermutlich mit einem normalen Lötkolben, und ihm dann mit dem üblichen stumpfen Gegenstand, unklar welchem genau, den Schädel zerschmettert. Sicherheitshalber hatte man ihn dann noch mit der stabilen Paketschnur, an der man auch noch den Adressenanhänger befestigt hatte, erdrosselt. Man rechnete damit, dass die Leiche am späteren Nachmittag bei der Gerichtsmedizin in Solna eintreffen würde. Falls die schwedischen Gerichtsmediziner noch einmal einen Blick auf die Arbeit werfen wollten, die ihre dänischen Kollegen von der Gerichtsmedizinischen Abteilung des Reichskrankenhauses in Kopenhagen bereits geleistet hatten.
70
Sicherheitshalber hatte man Farshad Ibrahim, Farbod Rashid Ibrahim und Hassan Jalib vor einigen Stunden unter dringendem Tatverdacht in U-Haft genommen. In zwei Fällen unter dem dringenden Verdacht, einen Mordanschlag auf Kriminalkommissar Evert Bäckström und Kriminalinspektor Frank Motoele unternommen zu haben. Außerdem ging es um illegalen Waffenbesitz. Weitere Anklagepunkte würden folgen. Und zwar etliche.
Obwohl sich keiner der drei aus eigener Kraft in seinem Krankenhausbett bewegen konnte, hatte man eine imponierende Bewachung aufgeboten. Etwa zwanzig uniformierte Beamte der Einsatztruppe, der Einsatzkommandos und der normalen Streifenpolizei. Kommissar Toivonen war alles andere als erfreut.
»Kann mir jemand erklären, wie man es zulassen konnte, dass mir dieser kleine Fettsack meine ganze Ermittlung zusammenschießt?«, sagte Toivonen und starrte seine Chefin mit blutunterlaufenen Augen an. »Ist das hier jetzt Schweden oder nicht?«
»Tja«, sagte Anna Holt. »Wir leben immer noch in Schweden, und ganz so einfach, wie du es darstellst, ist es vermutlich nicht.«
»Nasir wurde ermordet, Farshad, Jalib und Farbod liegen auf der Intensivstation«, sagte Toivonen und nahm sicherheitshalber die Finger zur Hilfe, während er aufzählte. »Tja«, wiederholte Holt. »Zumindest hatte Kollege Bäckström nicht das Geringste mit dem Mord an Nasir zu tun.« »Vermutlich solltest du dich mal mit Herrn Äkare und seinen Kumpanen unterhalten«, schlug Holt vor. Will sie mich verarschen?, überlegte Toivonen, der in seinem langen Leben als Polizeibeamter schon eine größere Zahl vollkommen unsinniger Gespräche mit Fredrik Äkare und seinen Freunden von den Hell's Angels geführt hatte. Beim letzten Mal hatte ihm Äkare sogar den Arm getätschelt, bevor er in Gesellschaft seines Anwalts mit Pomade im Haar verschwunden war.
»Sind Sie nicht überhaupt so ein Hinterwäldlerfinne, Toivonen?«, hatte Äkare gefragt.
»Was hat das mit der Sache zu tun?«, hatte Toivonen wissen wollen und versucht, das höhnische Lächeln seines Besuchers zu ignorieren.
»Dann kennen Sie doch vermutlich auch unseren alten Vorsitzenden. Er ist auch so ein Hinterwäldlerfinne. Er lässt übrigens grüßen. Sie sollen sich bei ihm melden, wenn Sie eine Runde Motorrad fahren und ein Bier trinken gehen wollen.«
Toivonen hatte sich nicht bei ihm gemeldet. Jetzt würde er jedoch dazu gezwungen sein, und darauf freute er sich ganz und gar nicht. »Laut Kollege Niemi«, sagte Toivonen, der sich nicht so leicht geschlagen gab, »hatte Farshad einen Schlüssel zu Bäckströms Wohnung in der Hosentasche.«
»Einen recht kürzlich angefertigten Nachschlüssel, wenn ich richtig unterrichtet bin«, sagte Holt, die sich ebenfalls mit Niemi unterhalten hatte.
»Es ist aber trotzdem recht seltsam, dass sie sich ausgerechnet in Bäckströms Wohnung
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