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Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption

Titel: Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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dass er gar nicht mit dir reden will.«
    »Ich muss es aber wissen.«
    »Nach dem Mord hat Cullen vor der Polizei ausgesagt, er habe schon lange davon geträumt, in eine Menschenmenge zu ballern und einen X-Beliebigen zu erschießen. Ich meine, er hat vielleicht nicht die geringste Lust, seine Vergangenheit wieder auszugraben. Dein Besuch könnte ihm mehr schaden als nützen. Also entweder du weichst von deinem Weg ab und lässt ihm seine Entscheidung, oder du ziehst dein Ding durch.«
    »Wie hoch ist meine Chance, ihn zu retten?«
    »Null. Nächsten Monat sind Wahlen, und der derzeitige Gouverneur hat alles Interesse, einen so glasklaren Fall wie diesen möglichst rasch zum Abschluss zu bringen.«
    »Und wenn ich neue Fakten liefere?«
    »Für was denn? Für den sinnlosen Mord an einem Vater von vier Kindern? Du verschwendest deine Zeit.«
    »Sam – was täten Sie, wenn ich dort in der Todeszelle säße?«
    »Für dein Seelenheil beten.«
    Shepard beendet das Gespräch. Wendy wartet am Gefängnisgitter auf ihn, Regentropfen rinnen über ihre Wangen. Er geht zu ihr, ergreift ihren Arm. Sie bahnen sich einen Weg durch die Menge.
107
    Peter ist in sein Verlies zurückgekehrt. Er zwingt sich, langsam zu atmen, um sein Herzklopfen zu beschwichtigen. Er denkt an Ackermanns Stimme im Ohrmikrofon, die ihn durch die unterirdischen Gänge begleitet hat. Vor der ersten Wegbiegung drehte er sich noch ein letztes Mal um und warf einen Blick auf die Öffnung ins Freie. Dann begann er den mühseligen Rückweg durch die Dunkelheit.
    Peter bewegt die Beine, die ihm einzuschlafen drohen, massiert sich die Waden. Als er den Rundweg in umgekehrter Richtung ging, verpasste er anscheinend eine Abzweigung, was er aber erst daran merkte, dass sich nach einer Weile Geruch und Temperatur veränderten. Er schaltete seine Minitaschenlampe ein, um die Karte zu prüfen. Im selben Moment tönte ihm Ackermanns Stimme ins Ohr.
    »Gibt’s ein Problem, Peter?«
    »Ich glaube, ich habe mich verlaufen.«
    »Das Wichtigste ist, Ruhe zu bewahren.«
    Peter ging weiter. Die Luft ringsum schien jetzt beinahe warm. Ein Geruch nach Verwesung stieg ihm in die Nase. Und im nächsten Augenblick stolperte er über ein Hindernis, fiel vornüber und landete auf allen vieren zwischen Ungeziefer.
    »Peter, alles in Ordnung?«
    »Ja, Scheiße, ja! Ich bin hingefallen, aber alles okay!«
    Peter richtete die Lampe auf das Hindernis, konnte sich aber nicht entschließen, sie wieder einzuschalten – sekundenlang lag sein Finger auf dem Schieber, ehe er ihn betätigte. Er versucht, sich zu erinnern, doch es ist, als hätte sein Unterbewusstsein bereits alles verdrängt, was er dort gesehen hat. Und dann leuchtet plötzlich der Lichtstrahl taghell auf. Er blendet seinen Geist. Peter krallt die Fingernägel in seine Schenkel.
    Der Lichtstrahl erfasste zuerst eine schmutzige Hand, dann einen Arm, der sich durch Gitterstäbe reckte. Eine Gefängniszelle. Hinter den Stäben das Gesicht eines Wesens, in dessen glasigen Augen sich das Licht der Lampe spiegelte. Unter dem Schmutz zeigte das ausgemergelte Gesicht noch Spuren einstiger Schönheit. Ein Mädchen. Wegen der eingetrockneten Blutspuren an den Ohren und der Nase erkannte Peter die Tote: Sie war ihm am Tag seiner Ankunft aufgefallen, als sie sich alle im Quadrat aufgestellt hatten. Eine zierliche Rothaarige, deren große grüne Augen wie zwei verschreckte Tierchen von einem Gesicht zum nächsten huschten. Aufgefallen war sie ihm deshalb, weil sie ein Piercing im Nasenflügel hatte und in einem Ohr mehrere Ringe. Der Reverend hatte sie während seiner gesamten Ansprache nicht aus den Augen gelassen. Nach der abendlichen Versammlung hatte einer der Profose sie zum Mitkommen aufgefordert, und danach hatte man sie nie wieder gesehen.
    »Ackermann! Ich habe eine Leiche gefunden.«
    Im ersten Moment war Stille. Dann sagte Ackermann: »Du hast eine Leiche gefunden. Positiv, Peter?«
    »Ja! Hier sind weitere Zellen! Dieses verdammte unterirdische Labyrinth scheint überhaupt ein einziges Verlies zu sein!«
    »Kannst du mir die Leiche beschreiben?«
    »Ein Mädchen. Dreizehn, würde ich sagen. Maximal vierzehn. Rote Haare. Ich schätze, sie ist verhungert.«
    Peter trat an die Gitterstäbe und richtete den Lichtstrahl ins Innere der Zelle. Sie war direkt in den Felsen geschlagen und schien weitaus älter zu sein als der Karzer, aus dem er geflohen war. An den Wänden entdeckte er alte, weitgehend unleserlich gewordene

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