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Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption

Titel: Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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tastete sich, so schnell er konnte, den Gang entlang, bis er spürte, dass es wieder leicht abwärts ging. Als er einmal stehen blieb, um zu verschnaufen, hörte er Ackermann sagen: »Peter! Du musst umkehren! Hörst du? Du musst auf der Stelle zu uns zurückkommen!«
    Peter starrte in die Dunkelheit. Irgendwo hinter ihm war der rettende Ausgang, waren Wald und Sonne und Freiheit. Vor ihm lag die Unterwelt von Redemption. Einen Moment lang war er versucht kehrtzumachen. Dann meinte er Wendys Stimme in der Stille der finsteren Gänge zu hören: Sie war zwanzig Jahre älter und teilte ihm mit, dass sie regelmäßig vergewaltigt und durch Zwangsernährung am Leben gehalten wurde. Und er flüsterte leise: »Sam?«
    »Ja?«
    »Ich muss meine Kumpels rausholen.«
108
    Im Geist zählt Peter die Sekunden, um nicht das Zeitgefühl zu verlieren. Wenn er bei tausend angelangt ist, streckt er einen Finger aus und beginnt wieder bei null. Er beißt sich auf die Lippen. Schon wieder hat er den Faden verloren.
    »Sam? Ist die Verstärkung schon da?«
    In der Tiefe seines Ohrs knistert es.
    »Morgen früh bei Tagesanbruch stürmen wir den Laden. Wir umzingeln das Gelände, um einen möglichen Gegenangriff von vornherein zu durchkreuzen. Dann befreien wir die Gefangenen aus den Kellern.«
    »Sie machen es nicht mehr lang da unten, Sam! Sie verdursten!«
    »Ich weiß, Peter, aber das Risiko eines zweiten Waco kann ich nicht eingehen!«
    »Waren Sie dabei?«
    »Ja. Es war entsetzlich.«
    Peter wehrt sich mit aller Macht gegen den Schlaf, der ihn zu übermannen droht. Er vergewissert sich, dass er seine Taschenlampe und seine Dietrichsammlung gut versteckt hat. Von einem plötzlichen Zweifel geplagt, ob er die Tür zu den unterirdischen Gängen auch wirklich zweimal abgesperrt hat, will er sich schon auf den Weg machen, doch in dem Moment hört er draußen auf der Treppe zum Verlies Schritte.
    »Sam, sie kommen.«
    Die Tür öffnet sich, und es erscheint die schrankartige Gestalt des Profoses Helliwell, flankiert von seinen Schergen. Er richtet den Lichtstrahl seiner Taschenlampe auf Peter, der sich die Handballen in die Augen drückt.
    »Na bitte, wer sagt’s denn. Wo sollte der kleine Arsch denn sonst sein.«
    »Ja. Schlechter Tipp. Also los, Hurensohn, deine Zeit ist um.«
    Peter hat auf einmal den Geschmack von Galle in der Kehle, als ihm klar wird, dass sich die Sprache der Profose verändert hat.
    Mühsam rappelt er sich auf und geht auf das Licht zu.
109
    Shepard steht vor dem Eingang zum Todestrakt der Strafvollzugsanstalt Youngstown. Der war einmal ein Irrenhaus, worauf heute nur noch die gepanzerte Tür und ein langer Korridor mit Gewölbedecke und gekalkten Wänden hinweisen. Die Lampe am Ende des Flurs beleuchtet drei Türen. Die mittlere führt zum Quartier der Wächter, die zweite, auf der linken Seite, zu den Zellen der letzten Tage, die Tür gegenüber zum Hinrichtungssaal.
    Der Oberaufseher, ein kleiner dunkler Typ, dessen Namensschild an der Uniform ihn als »Chief S. Miller« ausweist, rasselt mit seinen Schlüsseln. Er sperrt die Tür zum Besuchsraum auf.
    »Sie verkehren wohl in höheren Kreisen, dass Sie noch am Hinrichtungstag eine Besuchserlaubnis für Old Nobody kriegen? So nennen wir Ihren Kunden hier nämlich. Nie ein Wort, nie ein Schrei, nie der geringste Anflug von Gewalttätigkeit. Die meisten, die hier sitzen und auf den großen Sprung warten, stopfen sich mit Xanax voll und schlagen mit dem Kopf an die Wand. Er hingegen zeichnet, liest und macht Kaugummiblasen. So verbringt er seine Zeit. Und wissen Sie, was das Beste ist?«
    »Nein, was?«
    »Vor drei Wochen hat er ein Architekturstudium wieder aufgenommen. Dafür muss man doch einen ordentlichen Sprung in der Schüssel haben, finden Sie nicht?«
    »Nein.«
    Der Oberaufseher zieht die schwere Tür auf.
    »Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie zu dieser verdammten Plage gehören, den Hinrichtungsgegnern?«
    Seine Miene hat sich verdüstert. Die Vorstellung, dass jemand auch nur versucht, einen seiner Verurteilten zu retten, ist ihm unerträglich. Sein ganzes Leben ist auf dieser einen Gewissheit aufgebaut: Wenn ein Mensch den Todestrakt betritt, verlässt ihn nur seine Seele wieder.
    Wendy und Peter nehmen auf eisernen Stühlen Platz, die rings um einen Tisch mit Schaumstoffbelag am Boden festgeschraubt sind. Auch die Wände sind mit Schaumstoff verkleidet. Vor dem Einlass wurden sie von den Aufsehern kontrolliert, dass sie keinerlei spitze oder

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