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Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption

Titel: Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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erinnerst du dich immerhin, oder?«
    Wendy schließt die Augen. Ein Gesicht taucht vor ihr auf.
    »Na gut, machen wir’s kurz, wir haben den alten Pete wieder aufgespürt, und weißt du was? Dieser Volltrottel hat das Gedächtnis verloren! Also werden wir ihm ein bisschen auf die Sprünge helfen müssen. Verstehst du?«
    Die leise Stimme prustet in den Hörer, und die laute Stimme fährt fort: »Also pass auf, was ich dir sage. Während du nach wie vor nicht da bist, fahren wir weiter und tun, was wir tun müssen, und danach ruf ich dich an und erzähl dir alles. Recht so, Wendy Sullivan?«
    »So, jetzt mach Schluss, wir müssen los.«
    »Ja, ja, ich sag nur noch meiner Wendy Wiedersehen, dann gehen wir.«
    Ein metallisches Klappern; der Mann hat offenbar eine Münze nachgeworfen und fügt hinzu: »Okay, Wendy? Also, ich sag dir jetzt Wiedersehen, und wenn wir dem alten Gauner zu seinem Gedächtnis zurückverholfen haben, ruf ich dich wieder an. Sag mal, du weißt wirklich nicht, wer am Telefon ist, oder? Hast es nicht erraten? Gut, okay, du hast noch mal gewonnen, Wendyschatz, ich sag’s dir: Ezzie ist es. Erinnerst du dich jetzt, oder leidest du ebenfalls unter Hirnerweichung wie der alte Pete Daumenlutscher?«
    Wieder prustet die andere Stimme in den Hörer. Sie sagt etwas, das Wendy nicht versteht, und Ezzie bricht in Gelächter aus. Dann legt er auf, und ihr wird schwarz vor Augen. Sie muss sich an dem niedrigen Tischchen festhalten. Dieser Teil ihrer Vergangenheit war so tief verschüttet, dass sie bis jetzt gebraucht hat, um sich zu erinnern. Ezechiel Brody. Wendy überläuft es kalt. Der Mann, der nach Las Vegas will, um Peter Shepard wiederzusehen, ist ein muskelbepackter Riese, der tote Hunde sammelt.
24
    Die folgende Nachricht kam vor zwei Tagen. Immer zur selben Uhrzeit. Immer dieselbe Vorwahl. Auch dieselbe Stimme. Aber den Kommentator gibt es nicht mehr, jetzt spricht nur noch Ezzie. Und er hat gar nichts Munteres mehr, sondern ist nichts als Schuldgefühle und Schluchzen.
    »Wendy, ich bin’s, Ezzie. Ich glaube, ich habe einen Riesenmist gebaut. Ich hab was Schlimmes getan, Wendy, hörst du mich? Ich bin durch ganz Nevada gefahren und an der Grenze zu Idaho in einem Motel abgestiegen. Aber ich kann nicht bleiben. Ich muss weiter, wegen dem Mist, den ich gebaut habe. Peter hat sein Gedächtnis verloren, aber er wird sich bald wieder erinnern, und dann wird er stinkwütend werden.«
    Keuchendes Atmen, ein Schluchzen. Ezzie scheint am Ende seiner Kraft.
    »Ich fahre nach Clint, in Idaho. Dort wohne ich. In Clint, Idaho. Ich ruf dich morgen wieder an, okay, Wendyschatz? Und überhaupt jeden Tag. Irgendwann wirst du ja wiederkommen. Du musst da sein, verstehst du? Ich fleh dich an, Wendy, sei jetzt endlich da.«
    Wieder bricht die Verbindung ab, und Wendy hört die letzte Nachricht. Sie kam gestern, wieder zur selben Zeit. Mit der Vorwahl von Idaho. Der Wind pfeift. Im Hintergrund brausen Lastwagen vorbei. Ezzies Stimme ist ruhiger, monoton, als spräche ein Schlafwandler.
    »So, jetzt bin ich fast in Clint. Zu Hause. Ich habe …«
    Ezzie schnieft. Wendy sieht ihn vor sich, wie er sich mit seiner dicken Pranke die Nase wischt.
    »Ich brauch dich, Wendy. Ich ruf morgen wieder an.«
    Weiteres Schniefen. Ezzie murmelt etwas. Wendy meint, eine neue Stimme zu erkennen, eine alte Frau.
    »Putz dir nicht mit den Fingern die Nase, du Schwein, nimm wenigstens den Jackenärmel. Zu dem Zweck hat unser Herrgott nämlich Jacken mit Ärmeln geschaffen: damit Schweine deiner Sorte sich die Nase damit abputzen.«
    »Ja, Oma. Entschuldige, Oma, ich mach’s nicht wieder, ich versprech’s.«
    »Und warum machst du’s nicht wieder, du widerliches kleines Schwein?«
    »Weil es böse ist?«
    »Ja, böse.«
    Ein Lkw donnert auf dem Highway vorbei und lässt die Scheiben der Telefonkabine klirren.
    Ezzie sagt: »Ich ruf dich morgen zur selben Zeit wieder an, Wendy. Morgen bin ich in Clint. Es geht mir schlecht. Bitte sei da. Ezzie bin ich. Ezechiel Brody. So heiße ich.«
    Ein letztes Schniefen, dann verkündet die synthetische Stimme, dass keine weiteren Nachrichten aufgezeichnet wurden. Wendy blickt durch das große Glasfenster. Die Kinder skaten durch den Garten. Sie dreht sich zum Wohnzimmer um. Truman sitzt vor dem Fernseher. Sie wirft einen Blick auf die Küchenuhr. Der große Zeiger nähert sich der Sechs, der kleine steht auf der Sieben. Wie ein dicker Klumpen sitzt ein Schluchzen in ihrer Kehle. So hat Ezechiel die

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