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Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption

Titel: Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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Papa.«
    Shepard lässt den Knauf los. Monicas Geist verweht. Shepard betrachtet die Straße. Es ist beinahe dunkel. Er dreht den Schlüssel im Schloss. Drinnen riecht es nach Suppe und Wachs. Alles ist still und reglos. Shepard legt den Schlüsselbund auf die Ablage.
    »Ich bin wieder da«, sagt er, wie jedes Mal.
    Seine Stimme hallt durch die Stille. Er versucht es noch einmal lauter, doch seine Kehle ist wie zugeschnürt. Er lauscht. Keine kleinen Füße, die über das Parkett auf ihn zustürmen. Kein Gelächter. Kein Geschirrklappern in der Küche.
    »Schatz?«
    Das Wort entschlüpft ihm unwillkürlich und fällt in Klangscherben zu Boden. Normalerweise antwortet ihm Barbara. In fröhlichem Ton. Nein: in glücklichem.
    Er schlägt die Hände vors Gesicht, atmet Barbaras Geruch ein, mehrmals und so tief wie möglich. Er spreizt die Finger und späht durch die Zwischenräume zur Treppe, die zu den Schlafzimmern hinaufführt. Zum Zimmer der Zwillinge, zum Elternschlafzimmer. Zwei Badezimmern. Einem Gästezimmer mit einem weiteren, eigenen Bad. Einem leer stehenden Zimmer. Toiletten. Noch einem leeren Zimmer. Einem Arbeitszimmer, seinem. Barbaras Zimmer ist im Erdgeschoss. Meistens, wenn er morgens da ist, lieben sie sich in seinem Zimmer. Meistens sind es kurze, schnelle Umarmungen. Barbara liebt es, wenn Shepard sie auf den Schreibtisch zurückbiegt und sie nimmt, einfach so, zwischen Aktenbergen.
    Zwischen den Fingern hindurch betrachtet er das Erdgeschoss. Die Küche, groß, hell. Das Wohnzimmer, groß, hell. Einen Flur, von dem lauter Räume abgehen: das Spielzimmer, das Fernsehzimmer, das Billardzimmer, das Tischtenniszimmer. Ganz am Ende das Zimmer mit dem Farbtopf. Die Idee ist von Barbara – sie wollte alle Zimmer irgendwie einrichten und legte deshalb in diesem ansonsten völlig leeren Raum eine Plane aus, auf die sie einen Farbtopf stellte, und damit stand der Name fest: das Zimmer mit dem Farbtopf. Ein viel zu großes Haus. Shepard schließt die Finger wieder. Er gleitet die Wand hinab, bis er vor der Tür auf dem Boden sitzt.
33
    Seit Barbara und die Mädchen tot sind, spürt Shepard die Gerüche seiner Welt sterben. Der Duft der Blumen, der Gestank der Straße, die Aromen einer Mahlzeit – alles verschwindet. Angefangen hat es, als er ihre Asche kreuz und quer in den Staaten ausgestreut hat. Jetzt geht er den Flur im oberen Stock entlang und hat das Gefühl, eine staubige Fensterscheibe zu riechen. Er bleibt stehen und beschnuppert die Wand in der Hoffnung auf einen zarten Geruch nach Holz und Farbe. Ein paar Geruchsmoleküle von Chemikalien bahnen sich einen Weg in sein Gehirn. Er geht an der offenen Tür seines Arbeitszimmers vorbei. Hier riecht es nach dem Toner des Kopierers und Druckers. Die Vorhänge sind zugezogen, kein Licht brennt. In den Regalen stehen mehrere Faxgeräte, in deren Ausgabeschächten sich die Nachrichten stapeln, zweifellos wichtige. Sein früheres Leben.
    Je näher er dem Zimmer der Zwillinge kommt, desto deutlicher nimmt er einen Geruch nach Creme und Wäsche wahr. Phantomgerüche. Wenn er sich konzentriert, meint er, ein Plätschern und helles Auflachen im Bad zu hören. Barbaras Stimme. Ruhig, amüsiert, dann gespielt böse. Sie fordert Monica auf, nicht so zu toben, dass das Wasser auf den Boden spritzt. Und Meredith soll nicht das Badewasser trinken. Meredith reagiert darauf mit einem spitzen Gekreisch. Monica antwortet nicht.
    Shepard ist im Zimmer der Mädchen angelangt. Tapetenkleister, der Geruch von Teppichboden. Sonst nichts. Mit zugeschnürter Kehle streicht er über die Bettdecken und Kissen. Er schnuppert an seinen Fingern, presst die Nase auf die Teddybären. Sie riechen nicht mehr nach seinen Babys, keine Spur mehr von Spucke, Erbrochenem, saurer Milch. Aus dem Bad plätschert es wieder. Barbara trällert die Titelmelodie der Sesamstraße . Sie ist hier, gleich hinter der halb offenen Tür, sie spielt mit den Mädchen in der großen Badewanne. Seift sie zärtlich ein.
    »Ich bin wieder da«, wiederholt er.
    Ein letztes Glucksen. Ein letztes Geplätscher, und Barbara flüstert den Kindern etwas ins Ohr. Dann ist alles still. Shepard stößt die Tür auf. Die Wanne ist leer, die Lampen aus, Handtücher liegen auf dem Boden. Nie ist ihm dieser Raum so riesig erschienen wie jetzt, wo ihn keiner mehr braucht. Er riecht Rost und verstopfte Abflussrohre. Als wäre das Haus, in dem er so glücklich war, gestorben und bereits in Verwesung übergegangen.
    Fieberhaft

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