Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption
Namensschild heißt er A. Hurton, und er sagt: »Nur zu, Dean, bring ihn um und sei gespannt, mit welcher Soße Reverend Esterman dich frisst.«
Brooks lässt die Faust wieder sinken. Ein kalter Hass glimmt in seinem Blick. Mit einer furchterregenden Grimasse beugt er sich über Peter.
»Weißt du wirklich nicht, wo wir hinfahren?«
Brooks’ Finger schließen sich wie ein Schraubstock um Peters Kehle. Er murmelt ihm ins Ohr: »Nach Redemption. ›Erlösung‹ nennen sie es, und es ist das Tor zur Hölle. Und hinter dem Tor wartet Reverend Esterman, vor Gott der einzige Herr an Bord. Und soll ich dir was sagen? Wenn du fertig abgerichtet bist und er dich auffordert, dir die Finger abzubeißen – tja, dann beißt du dir die Finger ab.«
Unter den Nägeln, die sich in seine Kehle krallen, japst Peter nach Luft. Wieder hört er Hurtons Stimme, die wie eine ferne Brise daherweht.
»Himmelherrgott, lass ihn doch los, Dean! Der Bursche ist doch fast tot.«
35
Der Mannschaftswagen hält mit quietschenden Reifen. Grelles weißes Licht fällt ins Wageninnere und taucht Wendy in einen hellen Schein. Wie ein Engel sieht sie aus. Draußen ertönen Pfiffe und Befehle. Wendy steigt aus. Peter denkt an ihren flachen Bauch und ihre kleinen Brüste unter dem T-Shirt. Brooks packt ihn am Kragen und wirft ihn aus dem Wagen.
»Endstation, Kleiner.«
Peter landet bäuchlings auf dem Boden. Er steht auf, die Ketten rasseln. Der Mannschaftswagen steht zwischen gut zehn weiteren seiner Art in einem Innenhof mit Lehmboden vor einem riesigen Südstaatenbauwerk mit Nebengebäuden. Schwere Holztore und ein doppelter Stacheldrahtzaun riegeln das Gelände ab. Ringsum erstrecken sich viele Quadratmeilen sonnenverbrannter Felder. Ganz fern ein Waldrand. Aber nirgends eine Farm, ja nicht einmal ein Gebäude in Sicht. Auch keine Straße, abgesehen von dem Feldweg, auf dem die Mannschaftswagen hergekommen sind. Aneinandergekettete Häftlinge kehren vom Feld zurück, die Mehrzahl in gelben Overalls, nur hier und dort sind vereinzelt blaue und rote dazwischen. Kein Aufseher ist in Sicht, auch keine berittene Garde: In dem Raum zwischen den zwei Zäunen patrouillieren Wachhunde. Sie empfangen die Häftlinge knurrend und mit gefletschten Zähnen. Peter will Wendy ein Zeichen geben, doch Brooks’ Faust landet ein letztes Mal auf seinem Kinn.
»Dafür bringe ich dich um, Brooks«, sagt Peter, ehe er zu den anderen Jugendlichen hinübergeht.
Brooks gefriert beim Anblick von Peters Miene das Grinsen im Gesicht. Er flucht vor sich hin, als er zurück in den Wagen steigt. Türen knallen zu, Motoren knattern. Die Jungen im roten Overall, denen schwere Schlagstöcke an der Hüfte baumeln, lassen die gelben Overalls in der Mitte des Hofs antreten. Die Gesichter sind übersät von Narben und teilweise blühender Akne. Sie haben denselben Blick wie die Wachhunde hinter dem Drahtzaun.
Ein Pfiff ertönt. Die Alten und die Neuen stellen sich vor einem großen Kolonialhaus im Quadrat auf, die Mädchen auf der einen, die Jungen auf der anderen Seite. Peter ballt die Hände zu Fäusten, als er den scheelen Blick sieht, mit dem einer der Typen Wendy mustert. Die Geste entgeht ihr nicht, und ehe sie davongeht, flüstert sie ihm zu: »Was hast du vor, Pete? Willst du sie alle niedermetzeln, einen nach dem anderen?«
»Notfalls ja.«
»Bitte nicht! Das ist die absolute Hölle hier. Wenn sie dich umbringen und ich das alles allein durchstehen muss, werde ich wahnsinnig, das weiß ich.«
Peter hat keine Zeit für eine Antwort. Ein Schlagstock drückt sich ihm ins Kreuz. Der Knabe in Rot, der ihn hält, ist im Stimmbruch. »Kein Kontakt zwischen Mädchen und Jungen außerhalb der Pausen«, quiekt er. »Körperkontakt fördert Schamlosigkeit, und Schamlosigkeit führt zu Hässlichkeit.«
Was deine Mutter absolut bestätigen kann, will Peter antworten, doch die Worte bleiben ihm im Hals stecken, als er in den Augen des roten Overalls eine Mischung aus Grausamkeit und Panik liest. Als hätten Peter und Wendy das schlimmste aller denkbaren Verbrechen begangen. Peter geht auf das sich bildende Quadrat zu. Er hat einen langen Lulatsch mit Brille und pickeligem Gesicht ausgespäht und platziert sich neben ihn.
»Peter Shepard«, stellt er sich leise vor.
»Howard Cullen.«
»Wie lang bist du schon hier?«
»Drei Tage.«
Ein Fotograf ist aus dem Nichts aufgetaucht und macht rasch ein paar Bilder von den Häftlingen. Peter nutzt die Gelegenheit, um den gereckten
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