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Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption

Titel: Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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leert Shepard den Wäschekorb aus, beschnuppert flüchtig einen Slip von Barbara, eine ihrer Jeans, das alte, an den Ellenbogen zerrissene Sweatshirt mit den Farbflecken, das sie bei ihrer Heimwerkerei getragen hat. Er öffnet ihre Cremedosen im Regal und verschmiert sich das Gesicht. Dann fegt er eine Reihe Flakons auf den Boden und setzt Parfumwolken frei, die er so tief einatmet, wie er kann. Die Schmutzwäsche, die er durchwühlt hat, riecht noch immer ein bisschen nach Haut, nach Schweiß, nach Urin. Und im Raum stinkt es nach Chanel, Dior und diesem grauenhaften Bioparfum, das Barbara an Sommertagen gern verwendet hat. Shepard atmet ein und ein. Es riecht schon nach nichts mehr.
    Die Schmutzwäsche in der einen Hand, einen Teddybären von Monica in der anderen, betritt er Barbaras Zimmer. Seine Augen brennen. Es war immer Barbaras Zimmer. So hat sie es formuliert, wenn Shepard sie vom Erdgeschoss rief oder wenn sie irgendwas von ihm wollte. »Ich bin in meinem Zimmer«, sagte sie, oder: »Peter, wärst du so lieb und holst mir den Pulli, den ich auf meinem Bett hab liegen lassen?« Shepard korrigierte sie manchmal: » Unser Bett meinst du, unser Zimmer!« Und jedes Mal zuckte Barbara freundlich die Achseln und sagte: »Wenn’s dir so lieber ist.«
    »Scheiße, Baby, ja, allerdings ist es mir so lieber! Ich begreife sowieso nicht, wieso du diese Macke hast, mich auszuklammern und immer ›mein‹ zu sagen statt ›unser‹. Ist ›unser‹ nicht besser?«
    »Wenn es für dich besser ist, dann ist es zwangsläufig auch für mich besser.«
    »Trotzdem, warum redest du so? Das möchte ich jetzt wirklich mal wissen!«
    »Ich hab’s dir doch schon gesagt: weil ich als Kind nie ein eigenes Zimmer hatte.«
    Reglos murmelt Shepard unter Tränen im Halbdunkel diesen billigen, tausendfach wiederholten Dialog vor sich hin.
    »Willst du getrennte Schlafzimmer, ist es das?«
    »Würde es dich stören?«
    »Und dich?«
    »Stell dir doch vor, wie klasse: ein tadellos aufgeräumtes Zimmer für mich, Chaos für dich. Ein großes Bett für jeden. Wir verständigen uns per SMS , und dann gehen wir mitten in der Nacht über den Flur und vögeln wie ein Liebespaar. Das wäre doch wahnsinnig aufregend, nicht?«
    »Warum sagst du das?«
    »Was denn?«
    »Hast du einen Liebhaber?«
    »Wie bitte?«
    Anschließend folgte immer ein amüsiertes Schweigen, dann fragte Barbara, lauter, um von der Küche aus gehört zu werden: »Und, hast du unseren Pulli gefunden?«
    Shepard hat die Kleidungsstücke und den Teddybären auf den Teppichboden fallen lassen. Barbara war spät dran an dem Morgen, an dem sie mit den Mädchen nach Las Vegas aufbrach, und er hatte versprochen, das Bett zu machen und seine Unterhose und seine Socken nicht herumliegen zu lassen. Und die Betten der Mädchen zu machen. Barbara gab ihm noch Anweisungen. »Die Kissen flach klopfen. Die Daunendecke drauf – aber erst, wenn sie gründlich ausgelüftet ist. Die Plüschtiere und Puppen nach der Größe geordnet.«
    »Nach der Größe oder nach der Wichtigkeit?«
    »Was?«
    »Worauf kommt es an: wie groß die Plüschtiere sind oder wie wichtig für die Mädchen?«
    »Peter, was soll der Blödsinn mit Größe und Wichtigkeit?«
    »Na ja – wenn du mir sagst, ich soll Merediths Puppen nach der Größe ordnen, dann fange ich mit den Plastikpuppen an. Wenn es nach der Wichtigkeit geht, kommen zuerst die Stoffpuppen, dann die Plastikpuppen und dann …«
    »Apropos Stoffpuppen, Meredith hat eine draußen auf der Treppe liegen lassen. Denkst du dran, sie reinzuholen und aufzuräumen – nach irgendeinem System, das dir angenehm ist? Ja?«
    Am Fuß der Treppe drehte sich Barbara zu Shepard um. Sie schien wütend.
    »Aber du wirst nichts dergleichen tun, stimmt’s?«
    »Warum sagst du das, Baby?«
    »Weil ich dich kenne. Du wirst das ganze Chaos so lassen, wie es ist, und erst in letzter Minute irgendeine Art Ordnung herstellen, und dann bleibt die ganze Arbeit wieder an mir hängen, wenn ich heimkomme.«
    »Andernfalls tut es die Putzfrau.«
    »Sie hat Urlaub bis Ende des Monats.«
    »Wir müssen sie doch nur mal für zwei Stunden reinbestellen.«
    »Peter! Sie ist mit ihrer Familie auf den Philippinen!«
    Shepard hob eines der Stofftiere auf, die Barbara hatte fallen lassen, und konnte der Versuchung nicht widerstehen einzuwenden: »Auf den Philippinen! Warum um Himmels willen stellst du nicht eine Mexikanerin ein, die man im Notfall viel leichter mal herbestellen

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