Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption
mit.
»Jetzt geht’s ihnen gut«, sagt Peter.
»Das hab ich mir gedacht. Siehst du, Wolf? Wenn Peter sagt, er rettet die Leute, dann rettet er die Leute.«
»Ezzie?«
»Ja?«
»Du blutest wieder.«
»Was? Ah ja. Zur Zeit blute ich wahnsinnig viel. Deswegen hab ich auch so fürchterlich Hunger. Ich esse die ganze Zeit und hab trotzdem immer noch Hunger.«
»Bringst du deshalb die ganzen Leute und die vielen Tiere um?«
»Was redest du, Pete? Ich rühr mich doch nie von meiner Hütte weg. Wenn ich aus dem Wald rausgehe, werden die Stimmen viel zu laut.«
In der Ferne ertönt ein Geheul. Wolf macht eine kleine Pfütze. Ezzie springt auf und hastet die Stufen vor seiner Hütte hinab. In der Mitte der Lichtung bleibt er wie angewurzelt stehen. Peter geht ihm nach. Der Riese zuckt zusammen.
»Ah, bist du da, Peter? Das ist gut.«
»Was ist los, Ezzie?«
»Die anderen. Sie kommen.«
Peter blickt auf die Straße hinab, deren Kurven und Kehren stellenweise zwischen den Bäumen verschwinden. Gut zwanzig Polizeifahrzeuge sind auf dem Weg zu ihnen herauf. Der Riese schnieft.
»Du hast Meredith und Monica nicht gerettet, oder?«
»Nein. Ich hab’s nicht geschafft.«
Tränen rinnen über Ezzies Wangen. Er öffnet und schließt seine mächtigen Pranken.
»Tut mir sehr leid, Pete. Ach, wenn du wüsstest, wie leid mir das tut!«
Peter legt ihm die Hand auf die Schulter.
»Komm, Ezzie. Gehen wir wieder rein.«
»Mir wär’s lieber, wenn wir es hier draußen machen.«
»Was machen?«
»Das, wozu du gekommen bist, Peter. Du bist doch gekommen, damit es aufhört, oder?«
»Ja.«
»Also mir wär’s lieber, wenn wir es hier unter den Bäumen tun. Ich will nicht, dass sie mich mitnehmen. Ich will nie wieder eingesperrt werden. Das ertrag ich nicht mehr.«
»Du kommst in ein Krankenhaus, Ezzie. Wenn du zulässt, dass ich mich darum kümmere, wirst du nicht eingesperrt, sondern in einem Krankenhaus behandelt.«
»Gefängnis ist Gefängnis, oder, Pete?«
»Ja.«
»Also mir wär’s auch lieber, wenn es aufhört.«
»Bist du sicher?«
»Ja.«
Peter hat seine Waffe gezogen. Schwer liegt sie ihm in der Hand.
»Du machst es gut, ja?«
»Ja.«
»Schnell und gut?«
»Schnell und gut.«
Unten auf der Straße zerreißen die Blaulichter die Abenddämmerung, und die Sirenen heulen. Peter legt Ezzie den Lauf seiner Waffe in den Nacken. Der Riese erstarrt.
»Wart noch, Pete. Es ist Abend. Ich möcht noch mal riechen, wie der Wald riecht. Ich möcht noch mal ganz, ganz tief alle Gerüche einatmen, bevor ich gehe.«
»Lass dir Zeit, ich warte, bis du so weit bist.«
Ezzie atmet die Düfte des Waldes ringsum. Sein Brustkorb weitet sich. Er atmet lang, tief, ruhig. Er lächelt. Er ist glücklich.
Peter schließt die Augen. Ein Knall, und es reißt die Waffe zurück. Die glühend heiße Patronenhülse fällt ins Gras. Ezzie ist bereits tot, als er in all seiner Massigkeit zusammenbricht. Die Polizeifahrzeuge halten im Wald, Dutzende Männer verteilen sich zwischen den Bäumen. Sie tragen schusssichere Westen und Kriegsgerät. Peter kniet neben Ezzie auf dem Waldboden. »Es ist vorbei, Großer«, sagt er. »Jetzt ist es vorbei.«
Er kehrt in die Hütte zurück. Öffnet die Falltür. Parfumduft steigt aus der Tiefe herauf und leise Musik. Am Fuß der Leiter befindet sich, matt erleuchtet, ein großer Raum, in dessen Mitte ein breites Bett steht. Inmitten vieler Puppen liegt ein kleines Mädchen und schläft. Peter steigt zu ihr hinab und nimmt ihre Hand. Sie schlägt die Augen auf. Er trägt sie in den Armen die Leiter hinauf und setzt sich mit ihr auf die Stufen vor der Hütte.
»Wo ist Ezzie?«, fragt sie.
»Hat er dir was getan?«
»Nein.«
»Er ist fort.«
Dem Mädchen fallen die Augen zu, und es sinkt müde an seine Schulter. Peter streicht dem Kind über das Haar. Die ersten Polizisten wagen sich aus der Deckung des Waldes. Eine Vielzahl roter Punkte gleitet über das Gras und den toten Riesen. Andere wandern die Stufen herauf und verharren auf Peters Schultern und Gesicht. Eine Stimme schreit: »Nicht schießen!«
Peter sieht die roten Punkte über seinen Oberkörper tanzen. Er drückt die Kleine an sich, atmet den Geruch ihrer Haare. Er murmelt: »Na los, Leute, macht schon.«
75
Nachdem sie noch einmal entzückt die Szene haben Revue passieren lassen, wie die Weißkutten in den Eingeweiden von Redemption verschwinden, schlafen sie ein, und Peter träumt im selben Moment von Wendy, wie Wendy von Peter
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