Sühnetag - Patterson, J: Sühnetag - Worst Case
Asche?«
Woher wusste sie davon? Das hatten wir nicht zu den Medien durchsickern lassen. Jemand aus der Sondereinheit musste gepetzt haben. Ich tippte auf die stellvertretende Bürgermeisterin Hottinger. So weit dazu, keine Infos weiterzugeben.
» Es ist ein Zeichen der Katholiken für ihre Bereitschaft, ihre Sünden zu bereuen«, erklärte ich. » Außer der Enthaltsamkeit vom Rauchen oder Trinken oder am Freitag kein Fleisch zu essen ist es eine Möglichkeit, während der Fastenzeit am Opfer Christi symbolisch teilzuhaben.«
» Ich verstehe. Dann ist dieser Mensch, der Entführer, katholisch?«
» Wir wissen nicht, was er ist«, gestand ich ehrlich ein. » Wir wissen nicht einmal, ob Chelsea entführt wurde. Gehen Sie nicht vom Schlimmsten aus, Ma’am. Machen wir einen Schritt nach dem anderen.«
24
Der Flur mit einer Wand voller Familienfotos führte in die Küche. Chelsea war ein schönes, schwarzhaariges Mädchen mit auffällig hellblauen, fast grauen Augen. Auf dem letzten Bild trug sie eine Kapuzenjacke, auf der vorne » Rettungswacht« stand.
» Ihre Tochter ist wunderschön«, sagte Emily, als Mrs. Skinner uns an den großen, hellen Küchentisch führte.
» Chelsea hatte im Alter von sechs Jahren einen Hirntumor, ein Medulloblastom am Stammhirn«, erzählte Mrs. Skinner freundlich, während sie Kaffee einschenkte. » Sie hat ihn vollständig besiegt. Operationen, Chemo – sie ist eine Kämpferin. Das hier ist nichts dagegen. Sie wird heil herauskommen. Das weiß ich.«
Ich hätte Mrs. Skinners feste Überzeugung zu gern geteilt.
Einige Jungs der Spezialeinheit trafen ein und machten sich an den Festnetz- und Mobiltelefonen zu schaffen. Auch ein FBI-Techniker aus New York erschien und installierte eine E-Mail-Tracking-Software, falls unser Entführer beschließen sollte, seine Taktik zu ändern.
Mrs. Skinner zeigte uns Chelseas Zimmer im zweiten Stock. Über die Dachschräge verliefen Balken, und vom kleinen Balkon aus konnte man den Blick auf den überdachten, in die Erde eingelassenen Swimmingpool genießen. Das Zimmer war schick mit modernen Möbeln eingerichtet und sah mehr nach dem einer reichen Fünfunddreißigjährigen als nach dem einer Jugendlichen aus. Jacobs Zimmer war im Vergleich dazu naiver, kindlicher gewesen.
Es musste eine Verbindung zwischen Chelsea und Jacob geben. Beide waren Einzelkinder, beide reich. Wir hatten erfahren, dass Chelsea auf die Fieldston ging, eine teure Privatschule, die sowohl ganz in der Nähe ihres Elternhauses als auch der Horace Mann lag, der Highschool, in die Jacob gegangen war. Hatten sie einander gekannt? Vielleicht gab es einen Lehrer, der an beiden Schulen gearbeitet hatte. Worin bestand die Verbindung?
Einer Sache war ich mir sicher: Dieser Typ wählte seine Opfer nicht zufällig aus.
Nachdem Mrs. Skinner gegangen war, streifte Emily ein paar Gummihandschuhe über und machte sich über den Laptop des Mädchens her. Chelsea nutzte ihr Profil bei MySpace als Homepage.
Über Emilys Schulter hinweg las ich Teile von Chelseas Blog. Einiges davon klang ziemlich gewagt. Sexuelle Anspielungen. Gewaltphantasien. Ich war schockiert, einige sehr eindeutige Fotos von ihr zu sehen.
» Ist es das, worauf Kinder heute stehen?«, fragte Emily.
Ich schüttelte ebenso wie sie den Kopf über ein Foto von Chelsea mit dick getuschten Wimpern. Würde ich auf meine Tochter Julia aufpassen müssen, die in drei Jahren siebzehn wurde?
» Gott, ich hoffe nicht«, sagte ich. » Nicht vergessen: Mennonit werden und Geld für ein Haus irgendwo hinterm Mond sparen. Ich habe zehn Kinder. Wir könnten lernen, einen Bauernhof zu betreiben. Zu Mutter Erde zurückkehren, unseren CO 2 -Fußabdruck reduzieren und zu uns selbst finden.«
» Vergessen Sie den Kater nicht«, erinnerte mich Emily.
» Socky, stimmt. Der könnte die Kühe hüten.«
25
Ich verließ gerade Chelseas Zimmer, als das Telefon klingelte. Aber es war nicht das der Skinners, sondern meins. » Mike, hallo. Wie haben Sie geschlafen? Gut, hoffe ich.«
Dreckschwein! Ich blieb abrupt stehen, während das Adrenalin wie ein Stromstoß durch meinen Körper jagte. Er war es! Dieser listige Hurensohn rief mich statt der Skinners an.
» Gut«, sagte ich, löste meine wie festgeklebten Füße vom Teppich und rannte nach unten ins Arbeitszimmer, in dem wir einen Techniker stationiert hatten. Aufgeregt deutete ich auf mein Telefon. Er reichte mir aus einer Laptoptasche einen kleinen Rekorder, den ich an den Hörer
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