Sühnetag - Patterson, J: Sühnetag - Worst Case
Anweisungen des Entführers. Keine Überwachung aus der Luft. Haben Sie mich verstanden, Bennett?«
Ich hatte von Anfang an gewusst, dass irgendwann während dieses Falls die Fähigkeiten gefragt wären, die ich als Verhandlungsführer bei Geiselnahmen entwickelt hatte. Allerdings wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass ich sie bei der Verhandlung mit dem Vater eines Opfers brauchen würde.
Widerwillig mussten wir zustimmen. Es lag eindeutig in Hastings’ Hand, wie das Spiel gespielt wurde, besonders, was das Lösegeld betraf. Doch dies hieß nicht, dass wir uns vor der Verantwortung drücken und nicht alles in unserer Macht Stehende tun würden, um seinen Sohn lebendig zurückzuholen.
Emily und ich riefen rasch unsere jeweiligen Abteilungen an, um mitzuteilen, in welcher Misere wir steckten. Meine Chefin, Carol Fleming, erzählte, sie habe bereits von Hastings’ Sprachrohr Carbone gehört. Der Anwalt sei bekannt dafür, dass er pöbelhafte Typen vertrat.
Passte das ins Bild? Ich wusste es nicht. Doch uns blieb keine Zeit, um dies zu überprüfen. Die Frist lief in weniger als zwei Stunden ab, und unsere Leute hätten am besten schon gestern Stellung bezogen.
Hastings stand an der Bar und trank einen Kaffee, während ihn unsere Techniker verkabelten. Seine Angestellten packten das Geld. Die Anweisung mit dem Rollkoffer war nur verständlich, weil die Lösegeldsumme auch in Hundert-Dollar-Scheinen etwa vierzig Kilo wog.
» Dieser Typ kann kaum selbst seine Schuhe zubinden. Wie will er da seinen Sohn retten?«, zweifelte Emily.
» Das tut er nicht«, antwortete ich. » Wir tun das.«
47
Die Detectives Ramirez und Schultz mussten auf dem Schiff bleiben und das Maul halten, während Emily und ich den West Side Highway entlang und über die 155 th Street quer durch die Stadt jagten. Der Verkehr war nicht so schlimm, trotzdem ließen wir uns von keiner roten Ampel aufhalten.
Jack Bloom, der Sergeant, der für die Sozialwohnsiedlungen zuständig war, empfing uns auf der Rückseite des südlichsten Gebäudes der Polo-Grounds-Wohnanlage.
» Wir patrouillieren hier oben mit gezogenen Waffen«, erklärte er uns, als wir das Dach erreichten. » Es gibt sexuelle Übergriffe und Schlägereien. Wir flehen die Verwaltung an, die Türen zum Dach abzuschließen, doch die behaupten, sie dürften das nicht wegen der Feuerschutzrichtlinien. Selbst wenn man unten durch die Hinterhöfe Streife geht, muss man immer mit einem Auge nach oben blicken, falls einem einer der Jugendlichen was per Luftpost schicken will.«
Auf der anderen Seite des Harlem River thronte das Yankee Stadion. Bloom erzählte, die Blocks mit Sozialwohnungen stünden dort, wo sich früher das historische Polo-Grounds-Baseballstadion befunden habe.
» Echt?«, rief Emily. » Sie meinen, das Stadion, in dem die Giants mit ihrem Sieg die Welt erschüttert haben?«
Bloom nickte finster.
» Die einzigen Erschütterungen, die man hier noch mitbekommt, sind die, wenn die rivalisierenden Drogenbanden durchs Treppenhaus poltern.«
» Hm, dann haben wir es hier wieder mit einem Dreckloch zu tun wie in den beiden anderen Fällen«, sagte ich zu Emily. » Dann ist es vielleicht doch derselbe Typ.«
Zwanzig Minuten später erfuhren wir über Funk, dass Gordon Hastings eingetroffen war und in einem Wagen einen halben Block westlich auf der 155 th Street mit seinem Geld wartete. Ich blickte auf meine Uhr – halb fünf. Noch fünfzehn Minuten bis zum Kontakt.
Alles, was vorbereitet werden konnte, war vorbereitet. Die Hubschrauber waren zwar nicht in der Luft, standen aber ein Stück entfernt abflugbereit im Highbridge Park. Auch ein Boot der Küstenwache wartete südlich auf dem Harlem River, falls etwas ins Wasser geworfen werden sollte.
Zwei Überwachungsteams der Sondereinheit und einige Mitarbeiter vom Geiselbefreiungsteam des FBI bezogen Stellung in umliegenden Wohnungen. Über Funk hörte ich, wie sie ihre Frequenzen aufeinander abstimmten.
Wenn unser Kerl so dämlich war, hier aufzukreuzen, würden wir ihn uns schnappen. Ich hoffte, es würde dazu kommen.
Mit Blick auf die Innenhöfe stieß ich gequält die Luft aus. Zum ersten Mal hatten wir etwas, das der Entführer wollte. Wir mussten unseren einzigen Trumpf sorgfältig ausspielen.
Fünf Minuten später rief mich Emily, die an der Brüstung des Flachdaches stand, zu sich.
» Mike, schauen Sie mal.«
Unten auf dem Platz neben dem Spielplatz bauten ein paar Schwarze in traditioneller afrikanischer
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