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Sühnetag - Patterson, J: Sühnetag - Worst Case

Sühnetag - Patterson, J: Sühnetag - Worst Case

Titel: Sühnetag - Patterson, J: Sühnetag - Worst Case Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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den Arbeitern einen Lohn zu sichern, mit dem diese überleben können. In dem Sommer, als ich fünfzehn wurde, habe ich sogar in Nicaragua bei der Ernte geholfen.«
    Einen Moment hatte Mary Beth den Eindruck, dem Mann würde die Zigarette aus dem Mund fallen. Doch er erholte sich rasch.
    » Das stimmt«, sagte er und nahm einen Zug. » Jetzt kommen wir zur globalen Erwärmung. Wie viele Fass Öl werden jährlich von den Amerikanern verbraucht?«
    »146 Milliarden Fass«, antwortete Mary Beth ohne Zögern. Sie wusste diese Antwort wegen des Projekts an ihrer Schule. Sie hatte in der gespielten Debatte der Vereinten Nationen über globale Energieressourcen die Rolle einer Vertreterin von Darfur übernommen.
    Zum ersten Mal schien der Mann mit dem grauen Haar wirklich zu lächeln. Er zertrat die Zigarette mit dem Schuh, nahm sogar die Rasierklinge vom Tisch und steckte sie in seine Tasche zurück.
    » Wieder richtig«, sagte er. » Das ist gut, Mary Beth. Du bist gut. Zumindest bisher. Aber wir müssen noch viele weitere Fragen durchgehen. Jetzt Frage drei. Das Thema: der Hunger in der reichsten Nation der Welt.«

60
    Wir saßen einfach da und starrten aufs Telefon. Die Sache ergab keinen Sinn. Der Entführer hätte sich schon längst gemeldet haben müssen. Die anderen Male hatte er angerufen, um uns mitzuteilen, wo die Leichen lagen. Hieß sein Schweigen, dass er seine Foltermethode erneut geändert hatte und die Eltern noch länger in der Luft hängen ließ? Wenn ja, funktionierte sie.
    Die einzige Andeutung einer Spur lieferte uns die Mobilfunkgesellschaft, die den ersten Anruf orten konnte. Er war von der Nähe des Gateway National Beach aus, am Südufer von Staten Island, geführt worden. Es überraschte aber nicht, dass die Detectives vom 122 . Revier, die dorthin gerast waren, nur Möwen angetroffen hatten. Der Mörder hätte von einem Auto oder, wer weiß, von einem Boot aus telefoniert haben können. Wieder steckten wir in einer Sackgasse.
    Als ich zum ungefähr dreißigsten Mal ans Fenster trat, bemerkte ich etwas Komisches auf dem Bürgersteig vor dem Haus der Familie Haas. Eine Menschenmenge mit Straßenfestcharakter hatte sich gebildet.
    Ich ging nach draußen, weil ich dachte, es handelte sich um die Presse, bis ich ein Brearley-Sweatshirt entdeckte. Mary Beths Freunde. Sie standen mit Kerzen neben einem Berg aus Teddys und Blumen und einem Volleyball voller Unterschriften. Fast alle Klassenkameraden waren zur Wache angetreten. Sie weinten, rauchten und hielten Fotos von Mary Beth in der Hand.
    Zuerst überlegte ich, die Versammlung aufzulösen. Aber warum sollte ich das tun? Wenn der Entführer das Haus beobachtete, könnte ihm dieser Liebesbeweis verdeutlichen, dass Mary Beth ein wertvoller Mensch aus Fleisch und Blut und nicht nur ein Symbol dessen war, was er hasste.
    Schließlich begann eine Gitarre zu spielen. Die Mahnwache war seltsam schön. Die flackernden Kerzen schienen mit den Lichtern von Manhattan über der dunklen Bucht zu verschmelzen. Offenbar war Mary Beth ein tolles Mädchen, das viele in ihren Bann gezogen hatte.
    Es machte mich fertig, dass ich sie nicht finden konnte. Denn schließlich waren wir nach der langen Wartezeit genauso verwirrt wie alle anderen auch. Und fühlten uns völlig nutzlos.
    Ann Haas kam heraus und wurde von den Freunden ihrer Tochter umarmt. Sie bestellte Pizza. Emily und ich halfen ihr, sie zu verteilen. Ich war ziemlich überwältigt von den emotionalen Reaktionen, von dem Trost, den sich die Gruppe gegenseitig spendete. Viel zu oft bedurfte es einer Tragödie, um aus einem Menschen das Beste herauszuholen.
    Emily und ich nutzten die Gelegenheit, um mehr über Mary Beth zu erfahren. Ann Haas stellte mich Kevin Adello vor, einem hochgewachsenen Basketballspieler mit Wuschelkopf von der Collegiate Highschool, der Partnerschule der Brearley Highschool. Er erzählte uns, er sei locker mit Mary Beth zusammen.
    » Sie wechselt ans Bard College, weswegen ich nicht nach Princeton, sondern nach Vassar gehe, damit wir näher beisammen sind. Sie ist ganz anders als die anderen Mädchen an der Brearley, das kann ich Ihnen sagen. Mary Beth ist echt. Sie würde kotzen, wenn sie all diese Debütantinnen hier in ihren schicken Jeans sehen würde. Tut mir leid, wenn ich etwas grob bin. Ist ja nett, dass sie hergekommen sind. Ich wünschte, ich könnte etwas tun.«
    Ich wirbelte herum, als ein Taxi langsam in die Straße bog, um das herum sich sogleich die Anwesenden

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