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Sühnetag - Patterson, J: Sühnetag - Worst Case

Sühnetag - Patterson, J: Sühnetag - Worst Case

Titel: Sühnetag - Patterson, J: Sühnetag - Worst Case Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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Dreihundert-Dollar-Kalbslederschuhe von John Lobb. Das Einzige, was wirklich nicht passte, war der große, schwarze, klobige Koffer mit den Edelstahlschnallen.
    Er schob die Manschetten seines Hemds aus feiner Popeline hoch, hob vorsichtig den schweren Koffer an und trug ihn auf die Straße, um ein Taxi anzuhalten.
    Zehn Minuten später stieg er vor einer Kirche aus, der Most Holy Redeemer auf der 3 rd Street in East Village. Diese hatte er als seine Gemeindekirche auserkoren, weil sie die toleranteste in der Stadt war und sich um Schwule und HIV-Positive sorgte.
    In der winzigen Kapelle zündete er ein paar Kerzen an und betete für die Jugendlichen, die er getötet hatte. Er wusste, ihre Seelen würden wie die von Märtyrern direkt in den Himmel aufsteigen. Francis war zutiefst überzeugt, dass ihr notwendiges Opfer von Gott angenommen wurde. Wie hätte er seine Aufgabe ohne Glauben erfüllen können?
    Er hob den Kopf, als die Orgel einsetzte. Gleich würde die Sieben-Uhr-Messe beginnen. Rasch zündete er die letzte Kerze an.
    » Möge mein Glaube an diesem Morgen nicht ins Wanken geraten, Herr«, flüsterte er im dämmrigen Licht.
    Er setzte sich in die letzte Bank. Als es Zeit war, stellte er sich in die Reihe zu den etwa zwölf Kirchgängern und ließ sich das Aschekreuz auf die Stirn zeichnen. Die Asche stammte von Palmwedeln wie denjenigen, die den Herrn in der letzten Woche seines Lebens willkommen geheißen hatten. Darin fand Francis Trost. Die Berührung des priesterlichen Daumens auf seiner Stirn ließ ihn beinahe weinen, bevor die heiligen lateinischen Worte in seinen Ohren erklangen.
    » Memento homo, quia pulvis es, et in pulverem reverteris.«
    Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehrst.
    » Ich bin Staub«, sagte Francis zu sich selbst, als er sich umdrehte und zu seinem Platz zurückging. Er fühlte sich wunderbar, unbefleckt, erfüllt vom Licht der Gnade Gottes. Er hob den schweren Koffer an, den er neben dem Kniekissen abgestellt hatte, verließ leichten Schrittes die Kirche und trat in den neuen Morgen.

66
    Am nächsten Morgen musste ich trotz meines Schlafmangels lächeln, als ich mit meinen Kindern zur Kirche ging. Chrissy und Shawna schnitten einen extra breiten Korridor durch die Passanten und unterhielten sie mit Liedern aus der Kreditwerbung, die sie auswendig kannten.
    In ihren karierten Schuluniformen und mehr oder weniger in zwei Reihen gehend, sahen meine zehn Jungs und Mädchen aus, als spielten sie in dem Waisenhausfilm Madeline mit. Vielleicht war ich nicht so streng wie die Leiterin, Miss Clavel, doch ich hatte eine Waffe.
    Die Wärme und das Selbstbewusstsein, die meine Meute ausstrahlten, waren so ansteckend, dass ich beinahe den Schrecken vergaß, der meinen letzten Fall kennzeichnete. Das heißt, bis wir auf die ernsten Menschen trafen, die aus der Frühmesse in der Holy-Name-Kirche kamen.
    Mein Blick blieb an der Asche auf ihrer Stirn hängen. Mir drehte sich der Magen um, als Bilder der beiden toten Jugendlichen durch meinen Kopf geisterten. Ich glaubte schon, auf den Kirchenstufen das Blut aus ihren Wunden zu sehen.
    Wütend stieß ich die Luft aus. Es machte mich krank, dass etwas so Heiliges zu einem derartigen Symbol verkommen war. Die Asche sollte Zeichen für Opfer und Demut angesichts der Leiden Christi sein und nicht ein Detail eines Autopsieberichts, das mir nicht mehr aus dem Kopf ging.
    Die Kirchgänger schienen sich dessen nicht bewusst zu sein. Am Abend zuvor hatte Seamus berichtet, die Erzdiözese habe sich schwergetan mit der Überlegung, wegen des großen öffentlichen Interesses an dem Fall heute auf das Verteilen von Asche zu verzichten. Ich war froh, dass in der St. Patrick’s Cathedral weisere Köpfe die Oberhand behalten hatten. Es wäre furchtbar, wenn ein Mensch eine solche Macht über alle New Yorker Katholiken ausüben könnte.
    Als wir die Kirche betraten, gingen Eddie und Ricky nach vorne, um sich ihre Messdienerkleidung überzustreifen, Julia führte den Rest der Kinder in die hinteren Bankreihen, ich ging zu den Opferkerzen.
    Dort versenkte ich einen Fünfer in der Spendendose und zündete Kerzen an. Vor dem rötlichen Schein niederkniend schloss ich die Augen und betete für die Toten und ganz besonders für ihre Familien. Ich wusste nur zu gut, welche Verheerung der Tod in einer durch Zusammenhalt geprägten Familie anrichtete, und konnte die Verzweiflung von Eltern über den Tod ihres einzigen Kindes nur erahnen.
    Als ich

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