Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sühnetag - Patterson, J: Sühnetag - Worst Case

Sühnetag - Patterson, J: Sühnetag - Worst Case

Titel: Sühnetag - Patterson, J: Sühnetag - Worst Case Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
Vom Netzwerk:
Wände waren mit mehreren Schichten Farbe überzogen, die Gitter vor den Fenstern verbeult. Wie viele Korbleger hatte er in dieser Halle geschafft? Wie viele Runden hatte er auf der verstaubten Rennbahn gedreht, die oben rund um die Halle verlief? Während er sie durchquerte, schraubte er den Schalldämpfer von der Beretta und warf ihn in hohem Bogen auf den Ring zu, den er um mindestens einen Meter verpasste.
    » Voll daneben. Ist ja nichts Neues«, brummte er und steckte die Waffe ein.
    Ohrenbetäubender Lärm drang an seine Ohren, als er die große, gewölbte Turnhalle der Oberstufe betrat.
    Die Tribünen waren voll besetzt mit den ausschließlich männlichen Schülern. In ihren Blazern und Khakihosen sahen sie seiner damaligen Klasse irgendwie ähnlich, doch mit ihrem langen Haar und den locker gebundenen Krawatten hätten sie sich in den Tagen der Unterdrückung nur Arrest eingehandelt.
    Heute waren auch mehr Gesichter mit dunklerer Hautfarbe vertreten, was doch immerhin auf einen Fortschritt hindeutete.
    » Los geht’s, St. Ed’s!«, rief der Direktor durch ein Megaphon. » Jetzt geht’s los, St. Ed’s!« Die Jungen neben ihm mit Baseballtrikots über ihren Krawatten stießen die Fäuste in die Luft und schwenkten die Arme.
    Der Lärm erinnerte ihn an das New Yorker Halbfinale. Die Hitze, die Freudenrufe und der auf den Boden knallende Ball. Er hatte keine Minute mitgespielt, obwohl der Trainer es ihm versprochen hatte. Webb hatte das Spiel kurz vorm Schlusspfiff für sie gewonnen. Francis war gegangen, als sie dieses Arschgesicht auf ihre Schultern gehoben hatten.
    Ja, mit Sicherheit hatte er eine hervorragende Ausbildung an der St. Edward’s erhalten. Schließlich hatte er hier gelernt, wie beschissen die Menschheit sein konnte.
    Man starrte ihn an, als er an den Tribünen vorbeiging.
    Er deutete auf seine Kappe und winkte den Jungen energisch zu.
    » Jetzt geht’s los, St. Ed’s!«, rief er gemeinsam mit der Menge, während er auf die Bühne zuging.
    Der Direktor sprang auf und ab und drückte auf ein Lufthorn, als Francis neben ihm auf die Bühne sprang. Überrascht verzog er das Gesicht, als Mooney ihm die Waffe an die Schläfe drückte.
    » Ich bin ein guter Mensch«, sagte Francis und riss ihm das Lufthorn aus der Hand.

80
    Die hässliche schwarze Pistole hoch über seinen Kopf schwenkend, blickte Mooney zu den Schülern hinüber. Die Mannschaftsmitglieder hatten sich entlang der gepolsterten Wand an der Rückseite flach hingelegt. Auf den Tribünen direkt unter dem neu aufgehängten Baseballmeisterschaftsbanner stand ein Lehrer zur Seite gebeugt und versuchte selbstlos, so viele Schüler wie möglich abzuschirmen.
    Mooney holte gleichmäßig Luft, um seinen Puls zu beruhigen. Er stand im Rampenlicht. Die fröhlichen Rufe der sechshundertköpfigen Schülerschaft waren so plötzlich verstummt, als hätte Mooney einen Ausschaltknopf betätigt.
    In der entstandenen Stille klang das erschrockene Keuchen des kahlen Direktors neben ihm, als würde er eine spezielle Atemtechnik üben. Mooney legte die Mündung des zehn Zentimeter langen Laufs an dessen haarlose Stirn, während er das Megaphon anhob.
    » Alle sitzen bleiben!«, rief Mooney. » Jeder, der versucht wegzulaufen, wird erschossen. Ich möchte euer junges Leben nicht verkürzen, aber ich werde es tun. Es muss etwas getan werden. Darum geht es. Ich tue es.«
    Warmer Schweiß rann an Francis’ Gesicht hinab. Das Aschekreuz, das der Priester am Morgen auf seine Stirn gezeichnet hatte, war nur noch ein schwacher Streifen.
    Einige der Schüler auf den Tribünen schienen, vielleicht vor Schock, seltsam fasziniert zu sein. Mehrere junge Männer fummelten an ihren Telefonen, schickten mit Sicherheit eine SMS, um Hilfe zu rufen. Ein nicht allzu scharfsinniger blonder Junge oben auf einer der Tribünen richtete sein Kamerahandy zur Bühne. Vielleicht lief schon ein Video mit dieser Szene im Internet.
    Ja. Soll die Sache doch über YouTube gesendet werden, dachte er. Soll sie nach draußen gehen, rund um die Welt. Genau das war notwendig. Besser konnte die Wirkung nicht sein als durch eine Liveübertragung, in der er seine Botschaft in die tauben Ohren der Welt rief.
    Francis sah, dass einige Kinder weinten. Auch an seinem eigenen Gesicht begannen ungehindert die Tränen hinabzulaufen.
    » Ihr hättet die zukünftigen Führer dieses Landes sein sollen«, rief er ihnen zu. » Das weiß ich, weil ich selbst auf diese geschätzte Akademie gegangen bin.

Weitere Kostenlose Bücher