Sünden der Leidenschaft
nicht willst, werde ich gern aus Liebe dahinschmelzen.«
»Die Räder sind wirklich ziemlich laut.«
»Ich werde das Fenster nur einen Spalt öffnen.«
»Wie weit?«
»Gerade genug, um deine neuentdeckte Prüderie nicht zu gefährden.«
»Die anderen Schlafzimmer sind so nah.«
Er lächelte. »Ich werde dich nicht schreien lassen.«
Sie boxte ihn.
Er zupfte an ihren Locken.
Ein unbeschwertes Handgemenge begann, in dessen Verlauf Adam das Fenster weit öffnete. Er unterband Floras Protest mit einem heißen Kuß.
Der kühle Nachtwind wehte in den kleinen Schlafraum hinein, über das zerwühlte Bett und seine schweißgebadeten Benutzer. Die Luft duftete süß nach frischem Heu und Klee. Die kühle Brise vermischte sich mit der Hitze ihrer wilden Leidenschaft. Die Nacht war ein Traum, verschwenderisch, wohlriechend und zart, ihre Liebe, ihre Leidenschaft einmalig.
Gegen Morgen fiel Adam plötzlich völlig erschöpft in Schlaf. Vor ein paar Sekunden noch hatte er mit Flora geredet, doch im nächsten Moment, als sie sich umdrehte, um ein Kissen aufzuheben, war er auf das Bett gefallen und eingeschlafen.
Er lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Bett, ohne Kopfkissen oder Decke. Seine Arme waren um seinen Kopf gelegt, sein muskulöser Rücken wirkte ehrfurchtgebietend und kraftvoll. Er hatte die langen, athletischen Beine weit gespreizt, und die Füße ragten über die Bettkante hinaus.
»Du gehörst mir«, flüsterte Flora, und ein unaussprechlicher Stolz überkam sie, der Stolz der Besitzerin. Sie beugte sich über ihn und küßte ihn auf die Wange. Er bewegte sich im Schlaf und griff nach ihrer Hand.
»Ich bin hier«, murmelte sie.
Ein schwaches Lächeln umspielte seinen schönen Mund, und er drückte liebevoll ihre Finger.
In den nächsten beiden Tagen kam es ihnen so vor, als lebten sie in dem Zug nach Westen in ihrer eigenen kleinen Welt, so friedlich, ruhig und zufrieden schien alles zu sein. Die einzige Einschränkung war, daß sie den Zug wegen Adams Befürchtungen an keinem der Bahnhöfe verließen. Er war sich nicht sicher, ob Frank allein in Saratoga gewesen war oder eine größere Gruppe von Männern bei sich gehabt hatte. Für den Fall, daß sie verfolgt wurden, wollte er während der Reise so wenig Aufsehen wie möglich erregen.
Aber als sie im belebten Bahnhof von Chicago hielten, entdeckte Lucie eine Verkäuferin, die rosa Limonade feilbot.
»Ich möchte rosa Limonade, Papa!« schrie sie. »Beeil dich, sonst geht sie weg!«
Sie saßen in dem kleinen Abteil, hatten die Fenster weit geöffnet, um die schwüle Augusthitze besser ertragen zu können, und sahen den Menschenmassen zu, die draußen vorbeiströmten.
Da Adam den Wunsch seiner Tochter erfüllen wollte, trat er ans Fenster und rief die Verkäuferin heran.
»Ich möchte ein großes Glas, Papa. Ich liebe rosa Limonade«, drängte Lucie.
Adam lächelte, erstand ein großes Glas Limonade und gab es ihr.
»Guck mal, da ist Eis drin. Das ist das Allerbeste.« Lucie trank mit großen Schlucken. Nachdem sie das Getränk gelobt und ihrem Vater gut zugeredet hatte, tat Adam ihr den Gefallen und trank auch etwas von der Limonade. Flora lehnte es ab, ebenfalls zu probieren, indem sie auf das Glas mit Eistee zeigte, das ihr Mrs. Richards gerade gebracht hatte.
Bei Sonnenaufgang hatten sie den Bahnhof, die Stadt und die sich lang hinziehenden Vororte hinter sich gelassen und fuhren wieder über Land. Während des Essens genossen sie die vorbeiziehende Landschaft.
Kurz nach dem Essen mußte sich Lucie erbrechen. Adam war sofort in Sorge, versuchte sich aber zu beruhigen. Sie hatte vielleicht gerade etwas gegessen, das ihr nicht gut bekommen war. Aber er wußte, daß ein Sommerfieber nicht ungefährlich war und mitunter für Kinder und alte Leute tödlich ausging. Er trug Lucie in ihre Schlafkabine und half ihr ins Bett, dann saß er bei ihr und hielt ihre Hand. Er wünschte, sie wären schon näher bei sich zu Hause, wo die Luft sauber und frisch war. Aber sie hatten noch sechs Reisetage vor sich, bevor sie ihr Tal erreichen würden.
Lucie bat Flora, ihr eine Geschichte vorzulesen, und Flora tat es. Die Stimme des kleinen Mädchens war erschreckend dünn geworden und hatte sich stark verändert. Still und blaß lag sie in ihrem Bett. Ihre dunklen Augen blickten unruhig hin und her, und ihre kleine Hand lag schlaff in der ihres Vaters.
»Ich habe Durst, Papa«, flüsterte sie. Aber als sie Wasser getrunken hatte, konnte sie es nicht bei
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