Sünden der Leidenschaft
Gedanken, als er durch den langen Flur des Hauses der Fisks schritt, dessen seidenbespannte Wände und unechte Ahnenbilder nur am Rande in sein Bewußtsein drangen. Flora Bonham war sein Preis – ein unglaublich verlockender Bonus für seine vier Zweien.
Im Speisesaal wollte er sich von seiner Gastgeberin verabschieden. Als diese ihn drängte, noch zu bleiben, gab er vor, früh am nächsten Morgen eine Verabredung zu haben.
»Aber Sie haben versprochen, heute abend mit Henrietta zu tanzen. Sie wird todunglücklich sein, wenn Sie Ihre Zusage nicht einlösen.«
Wie hätte er diesem schamlosen Druck widerstehen sollen, wo Henrietta doch direkt neben ihrer Tante Molly saß?
»Verzeihung, Henrietta«, sagte Adam höflich und lächelte. »Die Einsätze an unserem Tisch waren sehr hoch, und ich habe nicht auf die Zeit geachtet. Würden Sie mit mir tanzen?«
»Furchtbar gern, Adam.« Henriette war wie ausgewechselt, und ihr selbstgefälliges Lächeln erinnerte ihn an eine verzogene junge Dame, der man endlich das Spielzeug gegeben hatte, nach dem sie geweint hatte.
Pflichtbewußt bot er ihr den Arm, so wie er es tausendmal bei tausend anderen Bällen getan hatte. Begleitet von dem freudestrahlenden Lächeln seiner Gastgeberin führte er Miss Henrietta Fisk in den Ballsaal.
»Ich habe Sie heute abend vermißt«, sagte das junge Mädchen. »Aber Tantchen sagt, daß Onkel Harold immer die gutaussehenden Männer in sein Spielzimmer lockt. Ich bin froh, daß Sie noch gekommen sind.« Ihre Art zu reden war besitzergreifend.
»Die hohen Einsätze sind für viele interessant«, sagte er unverbindlich, ohne näher auf das einzugehen, was sie gesagt hatte. Mollys Nichte hatte ihm im vergangenen Monat ungeschickterweise ihre Liebe erklärt, und deshalb war er vorsichtig. In der Gegenwart reizender Jungfrauen mit verliebten Augen hatte er sich noch nie wohl gefühlt. Er betete, daß der Walzer nicht zu lange dauern würde.
Einige Zeit später drängte sich Henrietta an ihn und sagte mit einem sehnsuchtsvollen Blick aus ihren großen blauen Augen: »Sie tanzen himmlisch, Adam.«
Er tanzte eine Drehung, um ein wenig Abstand von ihr zu gewinnen. Henrietta war in einer viel zu romantischen Stimmung, als daß sie es bemerkt hätte. Adam fragte sich immer dann, wenn Molly und Harold ihm Henrietta vor die Füße schoben, ob seine Ehe für ihre Pläne nur nebensächlich war. Eine Scheidung war in Montana schnell und einfach vollzogen. »Sie tanzen ebenfalls ausgezeichnet. Haben Sie es in Chicago gelernt?« fragte er onkelhaft.
»O ja, in meiner Abschlußklasse hatte ich den besten Tanzlehrer, der auch die neuesten und modernsten Tänze kannte. Und wo haben Sie so göttlich tanzen gelernt?«
Mit fünfzehn in einem Pariser Bordell, erinnerte sich Adam lebhaft. Therese, ein süßes Bauernmädchen aus der Provence, war sechzehn gewesen. Sie hatten eine Woche miteinander verbracht, ihre Körper erforscht, die Nächte in den Tanzsälen verbracht und bei spanischen Gitarren mit den Flamenco-Tänzern geübt, weil das in jenem Jahr in Paris gerade in Mode gewesen war. »Mein Tanzlehrer war ein alter Venezianer, den mein Vater von einer Reise aus Italien mitgebracht hatte. Er war ein wenig schwerfällig«, log Adam.
»Das ist himmlisch. Ich war erst einmal im Ausland, aber Mama will mich bei Hofe vorstellen, nachdem ich jetzt alt genug bin. Mrs. McKnight hat Mama versprochen, uns einer Baroness vorzustellen, die mich fördern soll.«
Adam sah nach der mit Rosen dekorierten Uhr über der Tür. Fast halb zwei. Wie lange würde dieser Walzer noch dauern? »Sie werden sich an Napoleons Hof wohlfühlen. Da ist mehr los als an Königin Victorias Hof. Sie werden dort etliche Amerikaner treffen.« Der Kaiser gestattete neureichen Amerikanern wie Henriettas Familie, die ein Fleischverpackungsunternehmen besaßen, die Anwesenheit am Hof. Das Ancient Régime, das Napoleon boykottierte, bezeichnete seinen Hof deshalb als »Schmierentheater«.
»Oh, Sie wissen ja so viel!« schwärmte Henrietta, Adam mit glühenden Augen verschlingend, und warf ihre braunen Locken zurück.
Verglichen mit einem jungen Mädchen aus Chicago, wußte er zweifellos viel, dachte Adam sarkastisch. Aber er schluckte diese taktlose Bemerkung hinunter und sagte statt dessen: »Ich bin auch etwas älter als Sie und mehr herumgekommen.«
»Alle Damen bewundern ältere Männer«, schnurrte Henrietta, »besonders jene, die gut aussehen und erfahren sind«, kicherte sie.
O Gott!
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