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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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mir leid, wenn du meinst, du wärst der Sache nicht gewachsen
    …«
    »Habe ich nie gesagt, ich würde mich der Sache nicht
    gewachsen fühlen«, schrie er. »Ich wollte damit sagen, daß du glaubst, keiner kann irgend etwas so gut wie du.«
    »Das ist doch absurd.« Sie drehte ihm den Rücken zu und begann Kleidung aus ihrer Kommodenschublade zu zerren, warf sie oben auf die Platte ohne Rücksicht, wie viele Flaschen Parfum dabei umfielen.
    »Du warst die letzten zwei Tage unterwegs und hast Josh gesucht. Warum verstehst du nicht, daß ich auch eine Chance brauche? Warum kannst du nicht …«
    Der Rest der Frage erstarb auf ihren Lippen, weil eine Woge von Emotionen über ihr zusammenschlug.
    »Wir haben doch immer alles geteilt«, flüsterte sie, den Blick auf sein Spiegelbild gerichtet. »Wir waren richtige Partner. Und so entsetzlich das hier auch ist, früher hätten wir die Last geteilt.
    Mein Gott, Paul, was ist nur aus uns geworden?«
    Sie hörte, wie er seufzte, drehte sich aber nicht um und vermied es auch, seinem Blick im Spiegel zu begegnen, aus Angst, dort nur Ungeduld statt Bedauern zu sehen.
    »Tut mir leid«, murmelte er und stellte sich hinter sie. »Ich hab das Gefühl, meinen Verstand zu verlieren. Du weißt, wie ich 316
    auf Hilflosigkeit reagiere, ich brauche das Gefühl, etwas bewerkstelligen zu können.«
    »Das brauch ich auch!« Sie wandte sich zu ihm, ihr Blick flehte um Verständnis. Sie sah in seine Augen und versuchte, den Mann zu finden, den sie geheiratet, den sie geliebt hatte.
    »Mir geht es genauso. Warum begreifst du das nicht?«
    Oder ist es dir egal? Die Frage schwebte unausgesprochen im Raum, der Augenblick dehnte sich bis zum Zerreißpunkt. Ein Dutzend Situationen huschten durch Hannahs Kopf – die Kluft zwischen ihnen würde geheilt werden, der Paul von einst würde zurückkehren, der Alptraum abrupt mit ihrem plötzlichen Erwachen enden, oder seine Augen würden plötzlich fremd und er würde bekennen, es wäre ihm egal … die Kluft zwischen ihnen driftete auseinander zu einer unüberbrückbaren Schlucht …
    Er senkte den Blick, als Lily im Zimmer am Ende des Flurs zu weinen begann. »Ja … Los, geh schon«, sagte er. »Ich bleib eine Weile bei ihr.«
    »Sie wird fragen, wo Josh ist«, murmelte Hannah. »Es sind schon drei Tage …«
    Sie strich sich ihr zerzaustes Haar zurück, und die Ängste brandeten wieder in ihr hoch. »Gott, was mir alles durch den Kopf tobt … Fragt er nach uns, friert er, ist er verletzt?« Die schlimmste der Fragen klebte wie ekliger Schleim an ihrem Gaumen, würgte sie, raubte ihr den Atem. Sie hatte Angst, sie auszusprechen, tat es wie unter Zwang. »Paul, was wenn er …«
    »Sag’s nicht!« Er zog sie grob in seine Arme, den Blick immer noch auf die Tür gerichtet, als hätte er Angst, eine allzu entsetzliche Realität in ihren Augen zu finden. »Ich will nicht darüber nachdenken.«
    Er zitterte. Sie drückte eine Hand auf sein Herz und merkte, daß es raste. Unwissenheit ist nicht Unschuld, sondern SÜNDE.
    »Geh und dusch dich«, murmelte er. »Um Lily kümmere ich mich.«
    317
    11 Uhr 20, -7 Grad
    »Kaufen Sie eine Chance! Geben Sie einen Dollar! Helfen Sie, Josh nach Hause zu bringen!« Al Jacksons Stimme dröhnte aus der Bude der Senior Hockey League quer durch den Park. Er hatte sich warmgebrüllt und blieb dabei, wiederholte den Spruch mit der Regelmäßigkeit eines Metronoms. Der Ruf erinnerte allzu sehr an einen Jahrmarktschreier, der die Einfaltspinsel zu einem getürkten Glücksspiel lockte.
    Hannah drehte sich der Magen um. Sie ließ den Blick über den Park schweifen. Was sie sah, kam ihr wie eine surrealistische Version des alljährlichen Snowdaze-Jahrmarkts vor. Hölzerne Buden, drapiert mit bunten Stoffen, standen rund um und kreuz und quer durch den Park.
    Hinter ihnen rumpelten tragbare Öfen und stießen wabernde Dampfwolken in die kalte Luft. Die Menschenmenge war in voller Wintermontur erschienen, um an den Darbietungen teilzunehmen und den Eisbildhauern bei der Arbeit zuzusehen.
    Aber zusätzlich zu den üblichen Spendenaufrufen – neue Uniformen für das Orchester und Computer für die Stadtbibliothek, Gelder für das Sommer-Verschönerungsprojekt der Städtischen Wohlfahrt – sammelte jede Bude Geld für Joshs Auffindung.
    Noble Gesten. Überwältigende Großzügigkeit. Ein rührendes Bekenntnis zu Beistand und Liebe. Hannah sagte sich diese Phrasen immer wieder vor und wurde trotzdem das Gefühl nicht los, daß

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