Sünden der Vergangenheit - McKenna, S: Sünden der Vergangenheit
Schande. Endicott Falls hätte einen guten Buchladen dringend nötig gehabt. Es war zu schön gewesen, um wahr zu sein. Typisch.
Um beim Thema Schande zu bleiben: Von all den Dingen, die sie derzeit runterzogen, stand Miles ganz oben auf der Liste. Es war so schwer zu akzeptieren, dass er sie endgültig in den Wind geschossen hatte. Sie waren ewig Freunde gewesen. Er kannte ihre peinlichsten Geheimnisse, wusste jeden verrückten Mist, den sie angestellt hatte, und hatte sie trotzdem akzeptiert.
Jetzt nicht mehr. Urplötzlich hatte er sich das mit der totalen Akzeptanz noch mal anders überlegt.
Natürlich hatte sie gewusst, dass er auf sie stand, aber was hätte sie tun können? Sie hatte ihn nie ermutigt, sondern ihm von Anfang an klargemacht, dass er nicht ihr Typ war, dass sie nur mit ihm befreundet sein wollte.
Man mochte sie oberflächlich nennen, aber wenn es um Romantik und Sex ging, fuhr sie nun mal auf große, muskulöse, attraktive Männer ab. Was konnte sie dafür?
Es war so hart. Sie sehnte sich unentwegt danach, mit Miles über ihre vielen Probleme und über die verrückten Dinge, die ihr widerfuhren, zu quatschen. Sie vermisste seine witzige, sarkastische Einstellung. Das Leben schmeckte schal ohne Miles, der sich darüber lustig machte. Außerdem war er unglaublich klug. Es war mehr als praktisch gewesen, einen superschlauen, unwahrscheinlich kompetenten besten Freund zu haben. Fast, als wäre sie selbst schlau, nur ohne die Arbeit und Mühe, die damit einherging. Es war einfach nur großartig gewesen.
Wenigstens hatte sie die Befriedigung zu wissen, dass er sie ebenfalls vermisste. Warum sonst sollte er sie für sein Mina-Profil benutzen?
Das hatte sie auf die Idee gebracht. Sie konnte ihm eine Gegenleistung anbieten für seine Hilfe, Javiers Demoband aufzunehmen. Sie würde ihn nicht um weitere Gratisgefälligkeiten bitten – jedenfalls nicht, solange sie noch darunter litt, dass er sie als Konkubine bezeichnet hatte, was sie nicht war.
Das hatte gesessen. Monatelang hatte sie achtzehn Stunden am Tag gearbeitet, war sauber geblieben und hatte jeden Cent für die Miete plus Kaution der Wohnung in Seattle gespart, die sie im September beziehen wollte, aber er hielt sie für eine Hure, die jeder dahergelaufene Kerl für ein paar Linien Koks kaufen konnte.
Sie spähte um die Ecke, um festzustellen, ob Miles’ neues Auto vor dem Dojo stand, aber sie entdeckte es nicht. Sie rannte die Treppe rauf und zog die Nase kraus, als ihr überwältigender Schweißgeruch entgegenschlug. Durch das Fenster sah sie, dass gerade ein Karatekurs stattfand. Mit weißen Anzügen bekleidete Kinder übten eine Abfolge von Tritten und Stößen.
Sie drückte die Tür auf, beugte sich über die Schwelle und entdeckte Miles an der Seite, wo er gerade die Körperhaltung eines Jungen korrigierte, der einen grünen Gürtel um seinen Karate-Gi geknotet hatte. Miles schob die Knie des Jungen auseinander, um seinen Stand zu stabilisieren, drückte seinen Arm höher und sagte etwas, das den Jungen zum Lachen brachte. Er hielt seine Hand auf Schulterhöhe und gab ihm ein Zeichen mit dem Kinn. Los . Der Junge schwang das Bein nach hinten und kickte wieder und wieder gegen Miles’ Hand. Manchmal traf er, manchmal nicht. Sie versuchten es von der Seite, von vorn und wieder von hinten.
Cindy war verblüfft. Miles sah verändert aus. In dem dunklen Keller war es ihr nicht ganz so stark aufgefallen. Er trug einen Pferdeschwanz. Keine Brille. Er grinste den Jungen an und sagte etwas Ermunterndes. Ohne seine Gothic-Montur sah er gar nicht mehr wie der vampirische Computerfreak aus, den sie kannte und liebte. Er sah, nun ja, niedlich aus. Um seine Taille war ein schwarzer Gürtel geschlungen. Hut ab. Wer hätte das gedacht?
Er wirbelte um die eigene Achse und kickte. Tap , touchierte er sachte die Brust des Jungen mit dem großen Zeh. Sie war keine Expertin, aber es wirkte sagenhaft anmutig.
Dann schlug – wie vorherzusehen war – das Schicksal zu. Miles entdeckte sie und musste zweimal hingucken, als im selben Moment der Junge wieder mit dem Bein ausholte.
Klatsch , kollidierte der Fuß des Jungen mit Miles’ Gesicht. Er ging zu Boden und landete auf dem Hintern. Es erklangen erschrockene Rufe. Ein Dutzend Menschen eilten zu ihm. Blut tropfte aus seiner Nase und auf seinen Gi.
Entsetzt rannte Cindy zu ihm. »Scheiße! Miles? Ist alles in Ordnung?«
»Geh mit deinen Schuhen von der Tatami.« Miles’ Stimme war trotz seiner
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