Sünden der Vergangenheit - McKenna, S: Sünden der Vergangenheit
Leben warf, war auch so schon lang genug.
»Also. Ich weiß, dass du eigentlich Chemieingenieurswesen studieren wolltest. Hast du es je … « Ihre Stimme verklang.
»Nein, Liv«, erwiderte er sanft. »Ich bin nie an die Uni zurückgekehrt, um meinen Abschluss zu machen.«
Sie schwieg mehrere Sekunden. »Das sollte keine Kritik sein.«
»Ich weiß. Aber in jenem Sommer hat sich vieles verändert. Um ehrlich zu sein, habe ich kaum mehr an das Studium gedacht.«
»Es tut mir leid.«
»Das muss es nicht. Mir tut es nicht leid. Rückblickend betrachtet, wäre die akademische Welt, die theoretische Forschung oder eine Denkfabrik nichts für einen Zappelphilipp wie mich gewesen. Ich wäre durchgedreht. Weil ich nun mal ein Adrenalinjunkie bin.«
Sie flocht die Finger ineinander. »Es tut mir leid«, wiederholte sie.
Er musterte sie verwirrt. »Was tut dir dieses Mal leid?«
Sie zuckte die Schultern. »Alles. Was vor fünfzehn Jahren geschehen ist. Die Auswirkung, die es auf dein Leben hatte. Das, was letzte Nacht passiert ist.«
»Ach, das. Kein Grund, mich deshalb zu bedauern. Es geht mir besser als vorher. Es fällt mir leichter, damit umzugehen, dass Kev ermordet wurde, als zu akzeptieren, dass er verrückt war. Jetzt habe ich eine externe Hassfigur, die ich jagen und töten kann. Das ist so viel besser, Süße. Glaub mir.«
»Hmm«, murmelte sie zweifelnd. »Wenn du das sagst.«
Er beschloss, von seinem verkorksten Ich abzulenken. »Also, was hast du die letzten fünfzehn Jahre so getrieben?«
Sie stieß ein kurzes Lachen aus. »Verglichen mit dir absolut gar nichts.«
»Jetzt komm schon. Raus damit.«
Sie warf die Hände in die Luft. »Ganz normaler, abgestumpfter, vorhersehbarer Kram. Ich bin aufs College gegangen, war im Ausland und habe Kunst, Architektur und Literatur studiert. Ich hab mich bemüht, ein bisschen Französisch und Italienisch zu lernen, bin allerdings nicht weit gekommen. Ich hab meinen Magister in Literaturwissenschaft gemacht, hier und da als Forschungsbibliothekarin gearbeitet und schließlich beschlossen, das Wagnis einzugehen, einen eigenen Buchladen zu eröffnen. Den Rest kennst du.«
»Ich dachte, deine Eltern wollten, dass du ins Familienunternehmen einsteigst.«
»Oh, ja. Meine Mutter lag mir unentwegt in den Ohren. Ich habe eine Menge Energie darauf verschwendet, mich ihr zu widersetzen. Ich fürchte, das zieht sich wie ein roter Faden durch meine Lebensgeschichte, nur leider ist sie zu traurig und langweilig, um sie zu erzählen. So, das war alles. Keine Wüstendurchquerungen auf einem Kamel, keine draufgängerischen Schwertkämpfe, Wachdienste in einer Diamantenmine oder tödliche Duelle mit blutrünstigen Bandenchefs. Einfach nur öder, stinknormaler Alltag.«
Er rieb sich die Narbe von seiner Schussverletzung. »Sei froh.«
»Ich weiß, trotzdem kommt es mir zu fade vor. Zumindest bis gestern. Mein Leben besteht normalerweise hauptsächlich aus Arbeit. In meiner Freizeit lese ich Bücher, kaufe Lebensmittel ein, mache meine Wäsche und bezahle Rechnungen. Ich sehe viele Filme. Ich liebe es, im Garten zu arbeiten. Ich sammle Patchworkdecken. Ich backe gern Brot und koche Marmelade ein. Bin gern häuslich.«
Er malte es sich aus. Mit ihr zu kochen, zusammen in ihrer gemütlichen, unordentlichen Küche zu hantieren. Unter einer dieser Decken mit ihr zu kuscheln. Auf der Couch selbst gebackenes Brot und Marmelade zu futtern.
Gartenarbeit? Hmm. Vielleicht könnte er sich auf einen Liegestuhl lümmeln und ein kaltes Bier trinken, während er Liv dabei beobachtete, wie sie sich in engen Jeans tief über die Tomaten beugte. Ja. Mmhhm.
»Das klingt wirklich schön«, meinte er. »Bin ich eingeladen?«
Sie machte ein Geräusch, als bliese sie Luft aus ihren Lungen. »Hör auf, Sean. Ich weiß nicht, was ich denken soll, wenn du solche Sachen fragst.«
»Ich bin ein simpel gestrickter Mensch. Nimm es einfach wörtlich.«
»Simpel?« Ihre Stimme begann zu zittern. »Ganz bestimmt, Sean. Schon klar. Sieh nur, was deine Simplizität aus meinem Leben gemacht hat. Ich war jahrelang in Therapie.«
Das verblüffte ihn. Sie wirkte so ausgeglichen. »Wirklich? Warum?«
»Weil ich aufhören wollte, an dich zu denken.«
Beide starrten reglos geradeaus und beobachteten, wie sich die gelbe Linie, die die schmale Schnellstraße in der Mitte teilte, nach rechts, dann nach links und wieder nach rechts krümmte.
»Hat es funktioniert?«, fragte er leise.
Sie schüttelte den Kopf.
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