Sünden der Vergangenheit - McKenna, S: Sünden der Vergangenheit
Alte seufzte. »Er hielt mir ein Messer unters Auge und sagte: ›Verschwinde von hier. Wenn du irgendjemandem von dieser Sache erzählst, werde ich die Leber deines jüngsten Familienmitglieds essen, und du wirst dabei zusehen. Danach werde ich dir die Augen ausstechen und die Zunge herausschneiden.‹ Er hat mich geschnitten.« Er deutete auf die Narbe, die seine Wange knapp unter dem Auge entstellte. »Mein Enkelsohn war damals zwei Jahre alt. Wir haben die Stadt noch am selben Tag verlassen.«
»Hat dieser Mann Vietnamesisch gesprochen?«, hakte Sean nach.
Trungs Mund zuckte. »Nein, das hat er nicht«, antwortete er auf Englisch.
Sean nickte, dankbar dafür, umschalten zu können. »Haben Sie noch andere Leute gesehen? Kennen Sie irgendwelche Namen?«
Trungs Lächeln erstarb. »Ich hatte zuvor keinen Grund, neugierig zu sein. Danach hatte ich viele, viele Gründe, es nicht zu sein.«
»Könnten Sie den Mann identifizieren?«
Der alte Mann bekam wieder einen Hustenanfall. Helen Trung schenkte ihm ein Glas Wasser ein. Er trank es, dann wischte er sich mit einer zitternden Hand über den Mund. »Nein, Sie Narr«, keuchte er. »Haben Sie denn nichts von dem verstanden, was ich sagte?«
»Wenn man Sie bitten würde, eine Aussage zu machen, würden Sie Schutz bekommen.«
Der Mann lehnte sich über den Tisch und berührte mit einem geschwollenen gelben Finger den Schorf an Seans Stirn. Anschließend gestikulierte er zu den Blutergüssen an Livs Kinn. »Wenn diese Leute einen Mann wie Sie und seine Frau so zurichten können, was würden sie wohl mit ihr machen?« Er deutete auf seine Tochter. »Oder mit ihm?« Er wedelte zu dem Teenager, der sich in der Tür herumdrückte. Der Junge ergriff die Flucht. »Sie sind nur ein einzelner Mann. Passen Sie auf Ihre Frau auf. Und jetzt gehen Sie bitte. Und kommen Sie nicht wieder. Ich möchte keine weiteren Besuche von irgendjemandem.«
Seine Worte stimmten Sean nachdenklich. »Warten Sie. Ich bin nicht der Erste, der Sie nach der Sache fragt?«
Trung zuckte knapp und verärgert mit den Schultern. »Da war dieser Reporter, kurz nachdem wir hierhergezogen waren. Er wollte einen Artikel über irgendwelche Jungen schreiben, die in dem Gebäude verschwanden. Ich habe ihm nichts gesagt.«
»Ich bin dankbar für das, was Sie uns meinem Bruder zu Ehren anvertraut haben«, sagte Sean. »Wer war dieser Reporter?«
Der Alte quittierte seine Hartnäckigkeit mit einem Stirnrunzeln. »Ich erinnere mich nicht. Er schrieb für eine große Zeitung. Vielleicht den Washingtonian . Er wollte berühmt werden.« Trung schnaubte missbilligend. »Seine Geschichte mit dem Blut meiner Enkelkinder schreiben. Dieser Dummkopf.«
»Er brachte uns einen Kürbis mit«, erinnerte Helen sich. »Um ihn für Halloween auszuhöhlen.« Sie trat an den Tisch und räumte die Kaffeetassen ab.
Sean dankte dem Mann noch einmal, dann nickte er dessen Tochter und dem Schwiegersohn zu.
Er und Liv traten ins Freie und saugten Sauerstoff in ihre Lungen. Sean hatte das Bild der offenen Minivantür mit den sich dahinter auftürmenden, plastikumwickelten Leichen überdeutlich vor seinem geistigen Auge, als er Liv hastig in den Wagen schob. Sie sagte etwas, und er musste sich gewaltsam aus seiner grausigen Gedankenversunkenheit herausreißen. »Was?«
Sie reagierte ungeduldig. »Ich sagte, unser nächster Schritt ist offensichtlich.«
Er wusste nicht, worauf sie hinauswollte, nachdem in seinem ganzen Leben nie irgendetwas sonderlich offensichtlich gewesen war. »Ach, ja? Nämlich?«
Sie grinste ihn selbstzufrieden an. »Wir gehen in die Bibliothek.«
Sie hielten an der ersten größeren Bibliothek, die sie fanden. Liv fachsimpelte ein wenig mit der Bibliothekarin, kurz darauf machten sie es sich völlig ungestört im Mikroficheraum bequem. Sean war froh, dass Liv das Ruder übernommen hatte, denn sein Gehirn funktionierte noch immer nicht.
Die älteren Ausgaben der Zeitungen waren nicht digital archiviert, was bedeutete, dass sie ihre Recherche auf die harte Tour in Angriff nehmen mussten. Aber Liv scrollte mit einer Geschwindigkeit durch das Material, dass Sean die Augen tränten, dabei plauderte sie leise mit ihm, um seine Nerven zu beruhigen und ihn einzubeziehen.
»… fünfzehnter Oktober bis fünfzehnter November, aber noch immer nichts. Also weiter. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand vor Mitte Oktober einen Kürbis aushöhlt.«
»Wahrscheinlich nicht«, pflichtete er ihr geistesabwesend
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