Sünden der Vergangenheit - McKenna, S: Sünden der Vergangenheit
unfreiwilligen Schrei aus. Er blutete inzwischen aus beiden Nasenlöchern. Sein Mund und Kinn waren eine rot glänzende Fratze.
»Beobachte ihn genau«, sagte Osterman in einem professionellen Vortragston, als er die Manschetten löste, die Seans Arme fixierten. »Er kann keinen Muskel bewegen, außer denen, die er zum Atmen, Schlucken et cetera braucht, es sei denn, ich gebe ihm den entsprechenden Impuls. Sieh zu.« Er hob den Montierhebel hoch.
»Nein!«, kreischte Liv, als er ihn kraftvoll auf Seans blutdurchtränkte verletzte Schulter krachen ließ.
Sean rührte sich nicht. Frisches Blut strömte aus seinem Arm und tropfte von seinen Fingerspitzen auf den Boden. Seine Augen flackerten wie wild.
Osterman ließ den Montierhebel fallen, dann öffnete und schloss er die Hände. »Hast du das gesehen?« Seine Stimme vibrierte vor Aufregung. »Er hat noch nicht einmal gezuckt, dabei muss das wehgetan haben. Seine Nervenrezeptoren sind voll funktionsfähig, verstehst du?«
Liv wollte schreien, wusste jedoch, dass sie nicht mehr würde aufhören können, wenn sie erst einmal anfinge. Wäre die Klinge in Tamaras Ring länger, würde sie ihnen ersparen, was gleich geschehen sollte. Ohne zu zögern.
Osterman nahm die Fesseln an Seans Handgelenken, Knöcheln und Armen sowie den Gurt um seine Taille ab, mit denen er an den Stuhl fixiert gewesen war. Sean begann, sich zu bewegen. Er stand langsam auf und schlurfte zu Livs Tragbahre.
»Guter Junge«, säuselte Osterman. »Du machst das wunderbar.« Er musterte Liv. »Überleg dir nur, was das für die nationale Verteidigung für Vorteile bringt.«
»Hören Sie auf«, verlangte Liv mit brechender Stimme. »Hören Sie auf!«
»Was? Wirklich? Sollte ich?« Er verzog den Mund zu einem fratzenhaft-heiteren Grinsen. Aus seinen Augen sprühte der blanke Wahnsinn. »Ich denke nicht. Lasst uns mit dem Schweißbrenner anfangen, was meint ihr?«
Liv versuchte, sich klein zu machen, als Sean mit unbeholfenen Bewegungen nach dem Gerät griff. Er brauchte mehrere Anläufe, bevor es ihm gelang, den Schalter umzulegen.
Liv starrte ihm in die Augen. Sie schaffte es nicht auf Anhieb, die Worte herauszupressen. »Sean. Was auch immer jetzt gleich geschieht … ich liebe dich.«
»Puh«, stöhnte Osterman. »Das treibt mir die Tränen in die Augen. Und da wir gerade von Augen reden – lass uns mit einem von ihren Augen anfangen.« Er tätschelte Livs Wange. »Scheu dich nicht zu schreien«, ermunterte er sie. »Dieses Zimmer ist schallisoliert.«
Das Mädchen, das an den Heizkörper gefesselt war, begann laut zu schluchzen. Osterman wirbelte herum. »Halt den Mund, sonst sorge ich dafür, dass er stattdessen mit dir anfängt«, herrschte er es an.
Das Mädchen rollte sich mit einem klagenden Laut zusammen und wiegte sich hin und her.
Seans Körper zuckte und erschauderte. Er kam einen schlurfenden Schritt näher.
Von Entsetzen überwältigt, presste Liv die Augen zusammen.
27
Osterman hatte gelogen. Dies war keine Vorschau. Dies war die Hölle im Hier und Jetzt. Verdammte Seelen, die sich kreischend in den Flammen wanden, zustechende Mistgabeln. Jeder brennende Muskel war in Agonie erstarrt durch seine Anstrengung, dem Impuls zu widerstehen, den Osterman durch seine Nervenbahnen schickte. Dem Impuls, den Schweißbrenner zu heben und damit Livs tränenüberströmtes, wunderschönes Gesicht zu verbrennen.
Er konnte Ostermans hämische Schadenfreude spüren. Wie sehr er es genoss, ihn zu missbrauchen. Die widerwärtige Intimität des Kontakts bewirkte, dass er sich übergeben wollte.
Das Bewusstsein, wer er war, was mit ihm geschah, schloss sich in einer Schutzblase ein, um sich dem Grauen zu entziehen …
Doch er holte es gewaltsam zurück. Wieder tobte der Schmerz durch seinen Körper. Wenn er die Schutzblase zuließe, wäre er ein lebender Leichnam. Ostermans zahmer Zombie.
Die Zeit verzerrte und dehnte sich. Er verharrte und zwang sich, zitternd still zu stehen, während Osterman an den Marionettenfäden zerrte. Das Zimmer rotierte um ihn. Erstarrt zu einer Feuersäule der Qual war er in deren Zentrum gefangen. Sein Vater stand vor ihm, das Gesicht zerfurcht vor Trauer und Schmerz. Er betrachtete das verzweifelte Leiden seines jüngsten Sohnes, als wäre er damit nur allzu vertraut.
Zieh die harte Nummer ab, riet er, seine Stimme mürrisch.
Sean hätte gelacht, wenn er gekonnt hätte. Klar, Dad. Und was für eine harte Nummer soll das verflucht noch mal sein? Es ist alles
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