Sünden der Vergangenheit - McKenna, S: Sünden der Vergangenheit
… ich kann nicht glauben, dass du das eben zu mir gesagt hast«, stammelte sie.
»Dann weise mich in meine Schranken. Immerhin bist du Ihre Durchlaucht, die Kronprinzessin von Endicott Falls. Wer würde es wagen, sich dir gegenüber Frechheiten zu erlauben?«
Ja, wer? Erst als es zu spät war, realisierte sie, dass sie sich über die Lippen geleckt hatte. »Nur bleibst du nie innerhalb der Schranken, in die man dich weist.«
Er zuckte die Achseln. »Das stimmt. Ich sehe gerade vor meinem geistigen Auge, wie du anmutig und kraftvoll eine Kreissäge bedienst. Das Spiel deiner Muskeln. Die Schweißtropfen auf deinem Gesicht. Die fliegenden Sägespäne. Kreischendes Metall.«
»Mann, laberst du einen Mist«, grummelte sie. »Hör sofort auf damit.«
»Bestraf mich. Zeig mir, wer der Boss ist.« Seine Augen funkelten. »Darauf fahre ich voll ab.«
Sie bedeckte erneut ihr Gesicht. »Du darfst jederzeit aufhören, mich zu verarschen«, presste sie hilflos und leise kichernd hervor.
»Noch nicht. Ich falle vor dir auf die Knie und biete dir ein kaltes Bier an. Du leerst die Flasche in einem Zug. Ein Tropfen rinnt herab, verharrt zitternd an deinem Schlüsselbein, gleitet tiefer. Das ist der Moment, in dem ich auf mich auf den Boden werfe … und um Gnade flehe.«
Sie erinnerte sich plötzlich an diesen umwerfenden Charme, der sie schon früher dazu gebracht hatte, allem zuzustimmen, was er wollte. Nur dass er es dann am Ende doch nicht gewollt hatte. Und auch sie nicht.
Liv wich zurück. Sie durfte nicht in die mit Honig präparierte Falle tappen.
Sie wechselte das Thema. »Also, wie geht es deinen Brüdern?«
Seans Miene wurde ausdruckslos, als er vom unwiderstehlichen Verführer zum Empfänger platter Höflichkeiten umschaltete. Seine Lippen zuckten freudlos. »Gut, danke der Nachfrage. Davy und Connor sind glücklich verheiratet. Con wird bald Vater.«
»Das ist fabelhaft. Was ist mit Kevin? Ist er auch glücklich verheiratet?«
Seans Miene wurde hart. Das kalte Funkeln in seinen Augen ließ Liv frösteln. »Nein«, sagte er. »Du hast nie von der Sache mit Kevin gehört?«
Ihr rutschte das Herz in die Kniekehlen. »Gehört? Was denn gehört?«
Seans Adamsapfel hüpfte. »Kevin ist tot. Ist mit seinem Laster über eine Klippe gerast.« Er verstummte und sah sie durchdringend an. »Du wusstest das nicht?«
Sie setzte mehrere Male zum Sprechen an, bevor ihre Stimmbänder gehorchten. »Nein«, wisperte sie. »Ich habe damals noch in derselben Nacht die Stadt verlassen. Meine Eltern haben mich in einen Flieger nach Boston gesetzt. Es hat mir nie jemand etwas davon gesagt.«
»Natürlich nicht«, murmelte er düster. »Und warum hättest du auch fragen sollen?«
Das tat weh. Damit unterstellte er ihr, dass es ihr egal war, und das war unfair.
Nur dass in seinen Augen dieser gehetzte Ausdruck nie verwundenen Schmerzes lag. Wie kleinlich von ihr, in Anbetracht seines Verlustes wegen einer Formulierung eingeschnappt zu reagieren. »Das tut mir furchtbar leid. Kevin war ein ganz besonderer Mensch.«
Sean quittierte ihre Worte mit einem stummen Nicken.
Liv schluckte, bevor sie ihre nächste Frage stellte. »Also war es … «
»Selbstmord?« Sean hob das Kinn. »Zumindest behaupten sie das. Aber … wer weiß?«
»Und diese Geschichte, die er mir erzählt hat? Über diese Männer, die ihm angeblich nach dem Leben trachteten?«
Sean zögerte. »Wir haben nie einen Beweis dafür gefunden, dass da was dran war.«
Sie brauchte einen Moment, um das zu verdauen. »Dann war es … er hatte … «
»Ja. Paranoide Wahnvorstellungen. Er litt unter Verfolgungswahn. Genau wie unser Vater. Zumindest war das die offizielle Schlussfolgerung.«
Die Verbitterung in seiner Stimme verleitete sie dazu zu fragen: »Und deine eigene Schlussfolgerung?«
»Meine eigene Schlussfolgerung zählt einen Scheiß. Darum behalte ich sie für mich.«
Liv wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Besser gesagt, gab es vieles, das sie darauf zu erwidern gewusst hätte, nur war nichts davon angemessen. Zum Beispiel könnte sie ihn am Hals packen und anschreien, dass er die Sache nicht ohne sie hätte durchstehen müssen.
Dieser hirnvernagelte Idiot . Ihre Kehle war so eng, als würde sie von einer Faust zugedrückt werden.
»Was zur Hölle?« Blair stürzte mit alarmierter Miene auf sie zu. »Liv! Ist alles in Ordnung? Du siehst aus, als hättest du geweint. Hat er etwa … «
»Nein, schon gut. Mir tränen wegen des Qualms die
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