Sünden der Vergangenheit - McKenna, S: Sünden der Vergangenheit
dass sie unsicher und unecht wirken. So als würde er sich an eine Mustervorlage halten.«
»Das Feuer und die Bombe waren nicht unecht«, wandte sie ein.
»Nein, das waren sie nicht. Danke, dass ich sie lesen durfte.«
»Du hast sie kaum eines Blickes gewürdigt.« Ihr Ton klang unterschwellig anklagend. »Du hast maximal zwei Minuten gebraucht.«
»Ich verfüge über ein fotografisches Gedächtnis«, erklärte er. »Ich werde diese E-Mails in meinem Kopf die ganze Nacht lesen.« Sein Blick huschte durch das düstere Zimmer, bis er an dem Chemiebuch auf dem Nachttisch hängen blieb. Er nahm es und blätterte darin. »Mann, das ist wie ein Trip in die Vergangenheit. Ich dachte, du hasst dieses Buch.«
»Ich habe es tatsächlich gehasst. Ich mochte es nur, wenn dein Bruder es erklärte.«
Sean nickte. »Ja, Kev war genial darin, dieses Zeug interessant zu gestalten. Er hat sein Vordiplom in zwei Jahren geschafft. Wenn er nachts nicht hätte arbeiten müssen, hätte er es in der Hälfte der Zeit bewerkstelligt. Er arbeitete bereits an seiner Dissertation, als er … « Sean brach ab und schluckte. »Ach, verdammt. Vergiss es.«
»Du warst selbst ziemlich brillant«, sagte sie, um das bedrückende Schweigen zu unterbrechen. »Du brauchtest noch nicht mal das Lehrbuch.«
Sein kurzes, bitteres Lachen tat ihm in der brennenden Kehle weh. »Das verfluchte Ding kostete achtzig Mäuse. Wozu soll man es kaufen, wenn man es in der Bibliothek lesen kann?«
»Du hast bei den Vorlesungen nie mitgeschrieben, sondern dir alles gemerkt«, erwiderte sie. »Ich bin vor Neid geplatzt.«
Er schlug das Buch zu. »Unser Vater hat uns beigebracht, uns einzuprägen, was wir hörten. Für ihn waren Notizen ein Nachweis für geistige Trägheit.«
»Puh«, stöhnte sie. »Das klingt hart.«
»Hart, ja. Ein gutes Wort, um Eamon McCloud zu beschreiben. Der Trick besteht darin, die richtige Auswahl zu treffen, wenn die Informationen hereinströmen. Man muss das Wichtige herausfiltern, und den Rest wirft man in den Müll.« Er machte eine Pause. »Anschließend leert man den Müll aus. Aber die relevanten Punkte bleiben einem perfekt im Gedächtnis.«
Sein Tonfall bewirkte, dass Livs Blick wachsam wurde. »Ach, ja? Und was für Punkte sind das?« Sie griff wieder nach ihrem Kamm und entwirrte die nächste Strähne.
Sean erschrak, als sie gewaltsam daran zerrte. »Um Gottes willen, kannst du das bitte sein lassen? Gib mir den Kamm.« Er nahm ihn ihr aus der Hand und hielt ihn außer Reichweite, als sie versuchte, ihn sich zurückzuholen.
Sie griff danach. »Sean, das ist nicht witzig … «
»Setz dich«, befahl er. »Aufs Bett.« Es gab ein kleines Gerangel, das er schnell für sich entschied, und kurz darauf saß sie zwischen seinen Oberschenkeln auf der Matratze. Er fasste nach einer Locke und machte sich ans Werk. »Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja. Wir hatten darüber gesprochen, was relevant genug ist, um es zu erinnern, und was unwichtig genug, um es zu vergessen.«
Die Situation war intim. Ihre von Seide umhüllten Beine waren so glatt, so heiß, wenn sie die Innenseiten seiner Schenkel berührten. Sein Körper pulsierte.
»Sean«, wisperte sie. »Ich fühle mich hierbei nicht wohl.«
»Dein Haar aber schon«, versicherte er. »Entspann dich einfach und lass mich ein paar Minuten deine Kammerzofe sein. Das ist keine große Sache.«
Sie blieb stumm, während er sich an der Strähne vorsichtig nach oben vorarbeitete und jeden kleinen Knoten entwirrte, bis sie sich mühelos durchkämmen ließ. Er legte sie über ihre Schulter und nahm die nächste in Angriff, dabei ging er so langsam und geduldig vor, als hätte er alle Zeit der Welt. Er kostete es aus, so lange er konnte.
»Also, was hältst du nun für relevant genug, um dich daran zu erinnern?«, fragte sie mit einer sachlichen Lass-uns-zum-Punkt-kommen-Stimme.
Er drapierte eine glatte, perfekte Strähne über ihre Schulter und wählte die nächste aus, um ihr seine Aufmerksamkeit zu widmen.
»Dich«, antwortete er.
Oh Gott. Das war ja wie in einer ihrer privaten nächtlichen Fantasien: Sean tauchte in ihrem Schlafzimmer auf und sagte ihr, dass sie ihm wichtig war. Sie durfte nicht in diese gefährliche Falle tappen.
»Los, verschwinde«, stieß sie zittrig hervor. »Lass mich los. Das hier ist eine ganz schlechte Idee.«
Als sie versuchte aufzustehen, legte er die Arme um ihre Taille und hielt sie fest. »Ich erinnere mich an jedes Detail«, murmelte er. »Von
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