Sünden der Vergangenheit - McKenna, S: Sünden der Vergangenheit
dem Moment an, als ich dich zum ersten Mal sah. Was du anhattest, wie dein Haar frisiert war, den Duft deines Shampoos. Einfach alles. Es ist wie eine komplette dreidimensionale Reizüberflutung. Ich bekomme sie nicht aus dem Kopf.«
Sie drehte sich zu ihm um und schaute ihn finster an. »Halt den Mund, Sean. Das ist einfach nur berechnender Schwachsinn, und ich falle nicht darauf rein.«
»Als ich dich das erste Mal sah, auf der Baustelle, hast du eine weiße Bluse getragen«, fuhr er leise fort. »Dein Rock war blau. Deine Haare reichten dir bis zum Po.«
»Baustelle?« Liv runzelte die Stirn. »Ich habe dich im Schaeffer Auditorium kennengelernt. Im Kurs deines Bruders.«
»Trotzdem hatte ich dich schon vorher gesehen.« Jeder bedächtige Strich des Kamms war wie eine Liebkosung. »Alle meine Kollegen schwärmten von der bildhübschen Tochter des Chefs, die gerade vom College zurückgekehrt war. Dann bist du eines Tages mit deinem Vater auf die Baustelle gekommen. Du hast uns arme Tröpfe nicht mal bemerkt, während wir dir hinterhergehechelt haben. Die Zungen hingen uns bis zu den Knien.«
Sie versuchte krampfhaft, sich zu erinnern. »Ich glaube dir nicht.«
»Es ist wahr«, beharrte er. »Du bist an uns vorbeigeschwebt, den Blick in die Ferne gerichtet. Du wirktest wie eine Prinzessin aus Porzellan. Man durfte dich ansehen, aber nicht berühren.«
»Ich bin nicht aus Porzellan«, flüsterte sie.
»Das weiß ich. Ich weiß genau, wie weich und warm du bist.« Er warf den Kamm aufs Bett, strich mit den Fingern durch ihr Haar und breitete es über ihre Schultern. »Ich verrate dir ein peinliches Geheimnis«, murmelte er. »Ich war nicht in Kevins Kurs, um etwas über organische Chemie zu lernen. Darüber wusste ich schon Bescheid, als ich zwölf war. Ich bin wegen dir gekommen, Liv.«
Sean McCloud im vollen Verführungsmodus war hochgradig gefährlich. Sie zermarterte sich das Gehirn, wie sie ihn ablenken, ihn auf andere Gedanken bringen könnte. »Stimmt es, dass du in der sechsten Klasse die Lehrertoilette in die Luft gejagt hast?«
Er erstarrte, dann brach er in schallendes Gelächter aus. »Mann. Von allen Geistern meiner Vergangenheit hatte ich mit dem am wenigsten gerechnet. Wer hat es dir erzählt? War es dieses Arschloch Blair Madden? Er war schon immer eine fiese Petze.«
»Beantworte bitte einfach die Frage«, erwiderte sie steif.
»Was soll’s? Es waren nur ein paar Schießpulvermoleküle in einem Strohhalm, der mit Klebeband verschlossen und mit einer Zündschnur versehen war. Ich würde das nicht als Bombe bezeichnen. Ich habe die Tür dieser Kabine mit Draht verriegelt, damit niemand sie benutzen würde, und als Harris dann wie jeden Nachmittag aufs Klo wollte, habe ich mich reingeschlichen und die Zündschnur angezündet. Ich wollte ihm eine Lektion erteilen. Ich hatte nicht vor, ihm den Hintern wegzusprengen.«
Sie drehte sich um, um sein Gesicht zu sehen. »Warum hast du es getan?«
Er zuckte die Schultern. »Ich war sauer auf ihn. Kev hatte in sämtlichen Mathetests mit ›Sehr gut‹ abgeschnitten. Harris beschuldigte ihn, betrogen zu haben. Als ob Kevin es nötig gehabt hätte, in der siebten Klasse in Mathe zu schummeln. Zu dem Zeitpunkt studierte er bereits theoretische Physik. Autodidaktisch.«
»Ich verstehe.«
»Harris hat Kevin suspendiert. Das hat mich zur Weißglut getrieben.«
Seine Hände strichen noch immer bedächtig über ihre Haare. Als sie sich umwandte, ertappte sie ihn dabei, wie er eine ihrer Locken an seine Lippen drückte. Er ließ sie fallen und hob mit gespielt schuldbewusster Miene die Hände. »Tut mir leid.«
Sie sah weg und musste ein Kichern unterdrücken. Das hier war vollkommen verrückt. Sie wäre heute fast gestorben, und dieser Mann brachte sie dazu, sich wie ein albernes junges Mädchen aufzuführen.
Es fiel so leicht, mit ihm zu lachen. Das war eine seiner verführerischsten Eigenschaften, auch wenn praktisch alles an ihm verführerisch war.
Sie war damals furchtbar schüchtern gewesen. Nicht nur Jungs, sondern jedem gegenüber. Doch nachdem sie ihre anfängliche Beklemmung darüber, wie hinreißend Sean war, erst mal überwunden hatte, hatte sie mit ihm einfach nur den meisten Spaß ihres Lebens gehabt. Bei ihm hatte sie sich klug und witzig gefühlt. Er hatte ihr nie das Gefühl gegeben, als würde sie gegen eine blanke Wand der Verständnislosigkeit anrennen. Nie gab er ihr das Gefühl, als würde er das, was sie sagte, in seine
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