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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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könnte, irgendetwas, und sei es noch so unbedeutend, das ihn auf Adamskis Spur führen würde. Er war kurz davor, das Stück Papier wütend zusammenzuknüllen, bremste sich aber gerade noch rechtzeitig. Offenbar unterhielt Adamski Verbindungen zu dieser Stadt, wenn er ausgerechnet hier seine Sachen einlagerte. Weshalb sonst hätte er sich für ein Provinznest wie Gorodnik entscheiden sollen anstatt für eines der zahlreichen Lagerhäuser in Danzig? Also faltete er den Zettel ordentlich zusammen, zündete sich eine Zigarre an und machte sich auf den Weg in Richtung Stadtzentrum.
    Kershaw fand es stets zum Schießen komisch, wie die Leute sich verhielten, wenn sie sich allein wähnten. Sie war wieder im Waveney Thameside Hotel und beobachtete auf dem Bildschirm der Überwachungskamera einen Mann, der gerade in den Aufzug an der Nordseite gestiegen war. Sobald sich die Türen geschlossen hatten und er der Einzige in der Kabine war, fing er an, sich die Eier zu kratzen. Dann sah er sich verstohlen um wie im Trickfilm, steckte die Hand ins Taillenbündchen seiner Hose und machte sich darin zu schaffen. Taschenbillard hatte ihr Dad das genannt.
    Die seitlich an der Aufzugstür angebrachte Kamera hielt das Gesicht des Mannes glasklar fest. Wenn das Gerät in der Nacht, in der Justyna Kozlowska und der Mann mit dem Hut eingecheckt hatten, nicht defekt gewesen wäre, hätten sie nun eine gestochen scharfe Porträtaufnahme ihres Verdächtigen gehabt.
    Derek, der Sicherheitschef, kehrte mit zwei randvollen Teetassen ins Büro zurück. »Gehen wir in meine Höhle, da ist es wärmer«, schlug er vor.
    Sie wandte sich von der Live-Übertragung aus dem Lift ab und folgte ihm. »Müssen Sie die Bildschirme nicht im Auge behalten?«
    »Nein, meine Liebe, sie laufen nur für den Fall, dass es ein Vorkommnis gibt«, erwiderte er in sich hineinlachend. »Schließlich sind wir hier keine Schweizer Bank.«
    Nachdem Derek den elektrischen Heizstrahler zu Kershaws Füßen eingeschaltet hatte, fing er an, in Erinnerungen an seine fünfundzwanzig Jahre im Polizeidienst zu schwelgen. »Wir hatten damals nicht den ganzen Papierkrieg, mit dem ihr armen Teufel euch jetzt rumschlagen müsst«, meinte er und ließ sich mit seiner Tasse und einem Garibaldi-Rosinenkeks in seinen Lehnsessel sinken. »Oder dieses ganze Menschenrechtsgedöns – entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise.« Mit verschwörerischer Miene beugte er sich vor. »Und wenn ein böser Bube sich in der Zelle ein blaues Auge geholt hat, war das auch kein Weltuntergang. Jedenfalls war unsere Aufklärungsrate um Klassen besser als heutzutage.«
    Kershaw trank ihren Tee und nickte. »Stimmt, das ist heutzutage ein Alptraum«, antwortete sie. »Sie können sich gar nicht vorstellen, welchen Druck mir mein DI wegen dem Mädchen macht, das in 1313 umgekommen ist. Sie und ich wissen, wie lange gute polizeiliche Ermittlungen dauern, aber ihn interessieren nur Zielvorgaben und Budgets.«
    »Der ist wohl einer von den Typen, die gleich nach dem College in die Chefetage aufgestiegen sind, oder?«, fragte Derek.
    »Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen«, meinte Kershaw und verzog genervt das Gesicht. »Jedenfalls habe ich mir gedacht, ich schau noch mal vorbei und gehe ein paar Dingen auf den Grund, um mich bei ihm einzuschmeicheln.«
    »Ich helfe Ihnen, wo ich kann, meine Liebe.«
    »Sie haben doch erwähnt, dass mit den Kameras in den Aufzügen etwas nicht gestimmt hat, als das Mädchen nach oben zum Zimmer gefahren ist«, begann sie. »Wissen Sie noch, wie lange sie kaputt waren?«
    »So spontan fällt mir das jetzt nicht ein, meine Liebe, aber ich hole mal das Berichtsbuch«, entgegnete er und hievte sich aus dem Sessel.
    Sicherheit wurde im Waveney eindeutig nicht großgeschrieben, dachte Kershaw, als sie die handschriftlich geführte, zerfledderte DIN -A3-Kladde aufschlug. Die Seiten waren in Spalten für die verschiedenen Kameras und Aufzeichnungssysteme in den für die Gäste zugänglichen Bereichen aufgeteilt – Rezeption, Eingang zur Hotelhalle, nördlicher Aufzug und südlicher Aufzug. In der Spalte mit der Überschrift »Aufzug Nord« befand sich ein Eintrag vom 23. März, dem Tag, bevor der Mann mit dem Hut eingecheckt hatte. Er lautete: »Kamera defekt: Viztek angerufen.« In dem nächsten Eintrag, drei Tage später, hieß es: »Kamera von Viztek repariert.« Sie blätterte die Einträge für die Kamera im südlichen Lift durch und fand die identischen Einträge und Daten

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