Sündenfall: Roman (German Edition)
geschlossenen Augen, wie die Scheinwerfer des Polizeiautos die Straße vor ihnen beleuchteten. Von dem Schlag mit dem Gummiknüppel brummte ihm der Schädel. Die beiden policja hatten kaum ein Wort gesprochen, seit sie ihn auf den Rücksitz des Autos verfrachtet hatte. Doch nach dem Kinnhaken, den er dem Kleineren, Dickeren der beiden, der nun am Steuer saß, verpasst hatte, konnte er ihnen keinen Vorwurf daraus machen, dass sie nicht zum Plaudern aufgelegt waren.
Verdammter Mist! Was war er nur für ein Vollidiot, einfach zuzuschlagen! Warum hatte er nur vergessen, dass Polizisten heutzutage diese dämlichen Baseballkappen trugen? Seine Gedanken überschlugen sich bei der Vorstellung, was ihm wohl wegen eines Angriffs auf einen Polizeibeamten blühte: um eine Gefängnisstrafe würde er sicher nicht herumkommen.
Als sie Gorodnik verließen, dachte er sich erst nichts dabei – vielleicht gab es ja in der Stadt kein richtiges Revier. Doch schon im nächsten Moment wurde ihm flau im Magen. Der größere Polizist, offenbar der Vorgesetzte, ein hagerer Mann über fünfzig, murmelte dem Fahrer etwas zu, worauf dieser von der Straße abbog und einen unbefestigten Weg entlang in den Birkenwald fuhr. Janusz schwirrte der Kopf. Was zum Teufel wurde hier gespielt? Würden sie ihn wegen des Kinnhakens in die Mangel nehmen? Oder noch schlimmer?
Nach einigen Minuten hielten sie auf einer Lichtung. Der größere Polizist öffnete die hintere Tür und bedeutete Janusz auszusteigen. Er gehorchte und hielt dabei die gefesselten Hände sichtbar vor den Körper, während er den Blick nicht von der Neun-Millimeter im Halfter des Polizisten abwendete. »Hören Sie, das ist ein riesiges Missverständnis«, begann er, sobald er aufrecht stand, und breitete die Hände aus, so weit die Handschellen es ihm gestatteten. Der Wind in den Bäumen dröhnte wie weit entfernte Meeresbrandung, und Janusz fragte sich verzweifelt, ob das wohl das letzte Geräusch war, das er im Leben hören würde. Der Polizist ließ die rechte Hand zur Seite sinken – und holte eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche.
»Rauchen Sie?«, fragte er. Janusz, der wegen der plötzlichen Wendung der Ereignisse seinen Ohren nicht traute, nahm an und ließ sich von dem Polizisten mit einem Zippo aus Messing Feuer geben. Der Polizist förderte einen eselsohrigen polnischen Pass zutage und begann, ihn durchzublättern. Janusz brauchte das Foto auf der letzten Seite nicht zu sehen, um zu wissen, dass es seiner war. Offenbar hatten sie ihn sich im Hotel geholt, ehe sie ihn vor der Kneipe abgefangen hatten.
»Hören Sie«, begann der Polizist im Plauderton. »Wir wissen, dass Sie sich in Witold Struks Haus umgesehen und sich als Kaufinteressent ausgegeben haben.« Der Mann drückte sich erstaunlich gebildet aus, dachte Janusz.
Er zuckte die Achseln. »Ja, stimmt, momentan möchte ich noch nichts kaufen«, räumte er ein. »Doch ich überlege mir, ob ich mir irgendwann hier in dieser Gegend ein Ferienhaus zulegen soll, und war nur neugierig, was ich für mein Geld kriegen kann.«
»Naprawd ę ?« , erwiderte der Polizist und neigte den Kopf zur Seite. »Ich hatte eher den Eindruck, der Grund sei, dass Tadeusz Krajewski Ihnen mit seiner verrückten Theorie, Witold Struk könnte einem Mord zum Opfer gefallen sein, Flausen in den Kopf gesetzt hat.«
Mist. Dieser Barmann hatte offenbar Ohren wie ein Luchs. Janusz zog an seiner Zigarette – mit gefesselten Händen nicht so einfach – und drückte dabei den rechten Unterarm an die Brust. Zu seiner Erleichterung spürte er, dass sich die SB -Dokumente noch wohlbehalten in der Innentasche seines Mantels befanden.
»Kurz nach Ihrem Treffen mit dem Makler hat in der Nähe von Struks Haus eine Schießerei stattgefunden«, fuhr der Polizist fort. »Vermutlich war das nur ein unglücklicher Zufall.«
»Ja, ich habe davon gehört«, meinte Janusz kopfschüttelnd. »Doch ich habe niemanden mit einer Pistole herumlaufen sehen, während ich im Haus war, ich schwöre.«
Der Polizist zog an seiner Zigarette und pustete mit einem Seufzer den Rauch aus. »Wie alt sind Sie?«, fragte er schließlich.
»Fünfundvierzig«, antwortete Janusz verdattert.
»Alt genug also, um sich an die SB und die ZOMO zu erinnern. An den ganzen Haufen von Schweinekerlen.«
»Ja, an die erinnere ich mich nur zu gut.«
Der Polizist schnippte die Asche von seiner Zigarette. »Mein Vater hat seine Stelle an der Universität von Danzig verloren, weil er sich
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