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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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suche ein Foto für Sie heraus.« Während Pani Tosik, begleitet von Schmuckgeklimper, in den hinteren Teil des Raums ging, nutzte Janusz die Gelegenheit, den verseuchten Kuchen bei Tinka loszuwerden. Der Hund verschlang die Napoleonka mit einem widerlichen Schmatzen und biss dann die Hand, die ihn gefüttert hatte. Janusz unterdrückte einen Aufschrei. Inzwischen war Pani Tosik zurück.
    »Hier ist sie, meine schöne Weronika. Sie war gerade dabei, eine Mappe anzulegen. Es war ihr Traum, Model zu werden.«
    Janusz betrachtete das professionell wirkende Schwarzweißfoto, das ein hinreißend schönes Mädchen mit weißblondem Haar in einem langen Pelzmantel vor einem weißen Hintergrund zeigte. Sie hatte eine gekünstelte Modelpose eingenommen: breitbeinig, die Hände in die Hüften gestemmt, das schulterlange Haar von einer Windmaschine nach hinten geweht. Ihr Gesicht bestand aus scharfen Kanten – Wangenknochen, mit denen man Kohle hätte zerkleinern können –, doch ihr Blick war unsicher, und sie hatte runde, beinahe kindliche Lippen … wie Iza . Der Gedanke war da, bevor er ihn unterdrücken konnte.
    »Schicker Mantel«, sagte er, um das Gefühl zu überspielen, und wies auf den teuer aussehenden Pelz. Pani Tosik lachte. »Ach, mein Lieber, der ist doch nicht echt! Die Mädchen kaufen diese Kunstpelzmäntel heutzutage von ihrem Taschengeld bei TK Maxx!«
    »Apropos Geld, Pani …«
    »Viel kann ich nicht ausgeben, Pan Kiszk a «, erwiderte sie und schlug die Hand vor die Brust. »Ich bin keine reiche Frau. Vielleicht wollen Sie diesem armen Mädchen ja aus christlicher Nächstenliebe helfen?« Sie lächelte ihn voller Hoffnung an.
    Hut ab vor dem alten Mädchen. Schließlich war allgemein bekannt, dass ihr Restaurant eine Goldgrube war. Die Polen in London liebten die heimische Küche, und seit einiger Zeit erfreuten sich osteuropäische Gerichte auch bei den Engländern immer größerer Beliebtheit.
    »Wir haben alle Geldprobleme, Pani «, entgegnete er und breitete entschuldigend die Hände aus.
    Das Lächeln der alten Dame verflog, und sie musterte ihn mit scharfen Knopfaugen.
    »Gut, ich gebe Ihnen jetzt fünfhundert Pfund. In einer Woche erstatten Sie mir Bericht. Wenn Sie Informationen für mich haben, lege ich vielleicht noch etwas drauf.«
    »Tausend jetzt.«
    Sie schürzte die Lippen. »Achthundert. Das ist ein fairer Preis.«
    Er nickte zustimmend und senkte den Blick, um sein Erstaunen darüber zu verbergen, wie schnell sie eingeknickt war.
    Ein Schlüssel drehte sich im Schloss, und ein Mädchen mit langem, dunklem Haar erschien. Janusz schätzte sie auf fünf- oder sechsundzwanzig. Keine Schönheit wie Weronika, aber trotzdem hübsch und eher der südländische Typ. Seine Mutter – Gott schenke ihrer Seele Frieden – hätte gesagt, dass da sicher die Tataren mitgemischt hatten. Sie trug eine braune Lederjacke und superenge Jeans, wie polnische Mädchen sie so liebten, und war mit Lidl-Tüten voller Lebensmittel bepackt. Auf dem Weg vorbei am Tisch begrüßte sie Pani Tosik, nickte Janusz zu und warf einen Blick auf das Foto von Weronika – und das alles innerhalb weniger Sekunden.
    Aufmerksame Augen, dachte er. Er hätte eine Wagenladung Wyborowa verwettet, dass sie wusste, was sich in Wahrheit bei Weronika tat – mit wem sie schlief, ob sie schwanger geworden war, und vielleicht sogar, wo sie steckte.
    Als er bat, sich Weronikas Zimmer ansehen zu dürfen, stimmte Pani Tosik sofort zu und führte ihn die schmale Treppe hinauf. In dem kleinen Zimmer herrschte eine beinahe unheimliche Ordnung. Der Frisiertisch war leer, das Bett gemacht und mit einer rosafarbenen pierzyna aus Satin ausgestattet, der traditionellen Daunendecke, die Janusz seit seiner Kindheit nicht mehr gesehen hatte. Auf dem Nachtkästchen stand der einzige Hinweis auf die Bewohnerin: ein leerer Bilderrahmen.
    Als er sich danach erkundigte, zuckte Pani Tosik die Achseln. »Ich weiß nicht mehr, ein Familienfoto vielleicht?«
    Da die alte Dame ihm nicht von der Seite wich, ahnte er, dass sie ihm auf keinen Fall einen Blick in die Kommode gestatten würde. Dass ein Mann in der Unterwäsche eines Mädchens wühlte, fiel vermutlich unter die Kategorie Sünde.
    Bevor er ging, fragte er, ob er die Toilette benutzen dürfe, und schlüpfte auf dem Rückweg ins Restaurant in die Küche. Er konnte ja immer behaupten, er habe sich in der Tür geirrt.
    Das dunkelhaarige Mädchen stand auf der Schwelle der Kühlkammer und summte einen

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