Sündenfall: Roman (German Edition)
dissonanten polnischen Rap mit, der gerade im Radio lief. Als sie die Arme hob, um Gemüse in einem Regal zu verstauen, rutschte ihr Hemd nach oben, sodass ihre Taille in Sicht kam. Im nächsten Moment spürte sie jemanden hinter sich, wirbelte herum und griff sich an den Hals. Janusz grinste entschuldigend und hielt ihr seine Visitenkarte hin, die sie wortlos und mit einem argwöhnischen Ausdruck ihrer braunen Augen entgegennahm.
»Rufen Sie mich an«, sagte er, über die Schulter gewandt. Sie blickte ihm nach und nestelte dabei an dem goldenen Kreuz, das sie um den Hals trug.
VIER
B ei ihrer Rückkehr ins Revier Tower Hamlets begegnete Kershaw Detective Sergeant Bacon so zuvorkommend wie selten. Man musste Specki zugutehalten, dass er den Zusammenstoß vom Vormittag offenbar vergessen hatte; er war sogar erstaunlich guter Laune, als sie einen Stuhl vor seinen Schreibtisch rückte, vermutlich, weil sie in weiser Voraussicht Tee und ein Schoko-Hobnob mitgebracht hatte.
»Die Autopsie findet heute Nachmittag statt, Sergeant, und zwar in der Rechtsmedizin in Wapping. Ich habe sonst nichts zu tun und würde gerne hingehen, falls Sie nichts dagegen haben.« Sie wusste, dass die Anwesenheit bei Autopsien inzwischen unter die Zuständigkeit der Spurensicherungsexperten fiel, doch sie war zu ungeduldig, um auf den Bericht des Pathologen zu warten. Sie musste erfahren, ob DB 16, dem Mädchen mit dem tizianroten Haar, irgendwelche Verletzungen zugefügt worden waren.
Bacon zog die Augenbrauen hoch und lehnte sich auf seinem abgewetzten Bürostuhl zurück, als säße er auf einem Thron. »Aber, aber, wollen Sie dem Metzger bei der Arbeit zuschauen? Mein alter Sergeant sagte immer, das sei nicht sehr unterhaltsam.« Mit nachdenklicher Miene hielt er inne. »Meinetwegen, dieses eine Mal, rein zu Bildungszwecken«, fuhr er fort und deutete mit dem Keks auf sie. »Aber seien Sie ein braves Mädchen und vermasseln Sie es nicht, indem Sie dem Doc auf die Schuhe kotzen.«
Kershaw grinste breit. »Danke, Sergeant. Ich werde mein Bestes tun. Soll ich Ihnen erzählen, was ich sonst über die Wasserleiche rausgekriegt habe?«
Er sah auf die Uhr. »Aber beeilen Sie sich, ich habe um zwei einen wichtigen Termin mit einem V-Mann im Drunken Monkey.«
Ja, ja, schon gut , dachte sie. Wahrscheinlich eher drei Bier und eine zweifelhafte Pastete mit deinen Dino-Kumpeln . Allerdings wurde ihr langsam klar, dass sie von einem alten Hasen wie Bacon eine Menge lernen konnte. Die anderen Detective Sergeants im Revier von Newham waren jünger und im neuen Denken verhaftet. Stets adrett gekleidet und professionell, hätten sie nicht im Traum daran gedacht, im Dienst Alkohol zu trinken. Doch Kershaw erschienen sie eher wie Banker als wie richtige Polizisten. Na und, dann genehmigte sich Bacon in der Mittagspause eben ein paar Gläschen. Schließlich wusste jeder, dass er die beste Aufklärungsquote von allen vorweisen konnte – wahrscheinlich der Grund, warum man ihn nicht schon vor Jahren bei vollen Bezügen aufs Altenteil geschickt hatte.
»Also, schießen Sie los«, meinte er und pustete in den Dampf, der aus seiner Teetasse aufstieg.
Kershaw warf einen Blick in ihre Notizen.
»Weiß, weiblich, schätzungsweise Mitte zwanzig. Hätte überall von hier bis oben in Teddington Lock ins Wasser fallen können. Weder Kleidung noch Schmuck. Aber sie hat eine Tätowierung mit ihrem Namen, Ela, und dem ihres Freundes, Pau-el«, mühte sie sich mit dem fremdartigen Namen ab. »Laut Internet ist das polnisch.«
»Das spricht man Pa-wel aus«, erwiderte Bacon. »Pawel Janas hat in den Siebzigern für Polen gespielt. Ein guter Linksaußen, wenn ich mich recht erinnere. Ich war damals natürlich noch ein Kind. Irgendwelche Verletzungen?«
»Die Leiche ist ziemlich übel zugerichtet.«
»Also gehen Sie von einem Beziehungskrach aus? Der Freund erwürgt oder ersticht sie, oder was die Traditionen seiner Kultur sonst so vorsehen, zieht sie aus, um sämtliche Spuren zu verwischen, schmeißt sie in den frühen Morgenstunden in den Fluss und ertränkt seine Sorgen dann im Wodka?« Das brachte ihm beifälliges Gelächter von den Jungs, ihren Kollegen Browning, Bonnick und Ben Crowther, alle Ende zwanzig, ein. Auch Toby, ein Polizist in Zivil und schon im mittleren Alter, saß an seinem Schreibtisch.
»So ähnlich, Sergeant.«
»Hmmm. Tja, ich wäre nicht zu optimistisch, unter diesen Umständen den Täter zu finden. Allerdings ist die Tatsache, dass das
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