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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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die Mutter ihn mit einem argwöhnischen Blick bedachte. Du hast vielleicht Nerven! , sagte er sich. Erst ziehst du deine kleine Tochter an wie eine Nutte in Ausbildung, und dann tust du, als wäre ich ein Pädophiler .
    Noch immer mit finsterer Miene trat er in Leytonstone aus dem warmen U-Bahnhof und steuerte auf die Hauptstraße zu. Ein heftiger Wind wickelte ihm den Trenchcoat um die Beine.
    Leytonstone erinnerte ihn an Highbury, wie es bei seiner Ankunft in London ausgesehen hatte. Die Auslagen der Lebensmittelläden strotzten vor eigenartigen ausländischen Gemüsesorten, wie er sie sonst nur aus Currys kannte, und dunkelhäutige, in Mäntel eingemummelte Männer saßen debattierend in Straßencafés vor ihrem Kaffee. Als Janusz auf die Straße auswich, um einem jungen Paar mit Kinderwagen Platz zu machen, bedankten sich die beiden in gebrochenem Englisch, wobei ihr Singsangton sie als polnische Landsleute auswies. Er ertappte sich dabei, dass er die belebten Straßen nach Weronikas hohen Wangenknochen absuchte.
    Die Fotos im Schaufenster von Parry’s zeigten die üblichen Verdächtigen – Brautpaare, Möchtegernmodels und übergewichtige Kinder. Allerdings kam Janusz bei näherer Betrachtung zu dem Schluss, dass die Aufnahmen das gewisse Etwas hatten. Drinnen saß ein junger Strebertyp hinter der Theke und las Photographer’s Weekly .
    Janusz hatte beschlossen, dass es das Beste war, den dummen Polak zu spielen, der gerade mit dem Flieger aus Lodsch gekommen war. Also lächelte und nickte er viel, um das Eis zu brechen, und zeigte dem Mann dann das Foto. »Haben Sie dieses Foto gemacht …?«
    Der Mann biss an, und als er die Aufnahme betrachtete, zeigte sich professioneller Stolz auf seinem Gesicht.
    »Ja, ich erinnere mich – sie war ein sehr schönes Mädchen.«
    Janusz tippte sich an die Brust. »Meine Schwester«, sagte er mit einem bescheidenen Lächeln.
    »Aha«, erwiderte der Mann und senkte den Blick. Er gab Janusz das Foto zurück, als habe er es plötzlich eilig, es loszuwerden.
    Janusz tat, als habe er es nicht bemerkt. »Sie war mit ihrem Freund hier«, fuhr er fort – ein Schuss ins Blaue, der mit einem Nicken belohnt wurde. »Der Mann ist mein guter Freund«, erklärte er. Allmählich tat ihm vom vielen Grinsen der Kiefer weh. »Heute muss er arbeiten, aber er hat mich gebeten herzukommen, weil er mehr Fotos für ihre Mappe braucht.«
    »Ihre Sed-Karte«, korrigierte der Mann erleichtert. »Ja, ich habe die Fotos vor zwei oder drei Wochen gemacht.« Er begann, in einer Aktenschale zu blättern, die hinter der Theke stand.
    Bitte frag mich nicht, wie er heißt , schickte Janusz ein Stoßgebet zum Himmel.
    »Wie war noch mal der Name …?«
    Kurwa.
    »Ach, da haben wir ' s ja. Pawel Adamski, ja?« Seine Aussprache verriet, dass er polnische Kundschaft gewohnt war. Er breitete einige Schwarzweißaufnahmen wie ein Kartenspiel auf der Theke aus und musterte sie stirnrunzelnd, bevor er eine auswählte und umdrehte, damit Janusz sie sich ansehen konnte.
    »Ich finde, das ist das Beste«, verkündete er.
    Es war ein beeindruckendes Bild. Weronika war von oben aufgenommen und lag mit halb geschlossenen Augen und leicht geöffneten Lippen auf dem Rücken. Unter dem weißen Laken, das sie von den Füßen bis zur Brust bedeckte, war sie nackt. Die Beleuchtung war so eingestellt, dass sie die hauchfeinen Weißnuancen der Szene einfing – ihr kreidebleiches Gesicht, die marmorfarbenen Arme, den elfenbeinernen Schimmer der Seide, der ins Graue überging, wo der Stoff Falten warf. Ihre Hände lagen locker übereinander auf dem Bauch. Es fehlte nur noch der Blumenstrauß, um das Bild einer jungfräulichen Braut abzurunden. Oder einer Toten, dachte Janusz.
    Er sah die restlichen Fotos durch, konnte jedoch nichts entdecken, was erklärt hätte, warum der Fotograf vorhin so nervös geworden war.
    »Sie sind gut«, meinte er. Dann beugte er sich zu dem Mann hinüber und versuchte es aufs Geratewohl. »Aber ich glaube, er meinte die anderen«, raunte er. »Wie nennt man das? Die Sachen für Seite 3?«
    Nach kurzem Zögern drehte er sich um und öffnete einen Aktenschrank.
    »Da hat Ihr Freund Regie geführt«, meinte er abwehrend und schob die Mappe mit spitzen Fingern über die Theke. »Ich habe mich bloß um die Beleuchtung gekümmert.«
    In der Mappe befand sich ein Kontaktabzug mit einigen Dutzend Aufnahmen, diesmal in Farbe.
    Nur mit einem schwarzen Stringtanga bekleidet, warf Weronika sich in einige nicht

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