Sündenfall: Roman (German Edition)
Ertrinken nicht einwandfrei nachweisen kann«, meinte sie, »ist die einzige Chance, alles andere auszuschließen, richtig?«
»Sehr gut, Detective«, sagte Waterhouse mit einem beifälligen Nicken.
»Dennoch muss ich Ihnen mitteilen, dass nichts darauf hindeutet, etwas könnte nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Die Verletzungen an der Leiche sind alle entstanden, als sie bereits tot war.«
Kershaw fühlte sich wie nach einer Ohrfeige. Offenbar war das Mädchen gerade vom Mordopfer zur gewöhnlichen Selbstmörderin heruntergestuft worden.
»Sind Sie sicher?«, hakte sie nach.
»Die subkutane Sektion hat keine Blutergüsse oder ähnlichen Verletzungen ergeben.« Waterhouse wies mit der Hand auf die ausgebreitete Leiche. »Ich konnte auch keinen Hinweis auf die stecknadelkopfgroßen Einblutungen in den Schleimhäuten entdecken, die auf Erdrosseln hinweisen würden.«
Er winkte sie zu einem tiefen Edelstahlbecken hinüber und griff mit einer behandschuhten Hand in eine Masse, die wie Aas aussah und auf einem großen Schneidebrett aus Plastik lag.
»Hier hätten wir es, das Zungenbein der Dame.« Er schwenkte ein Paar winzige knochige Hörner, an denen noch ein wenig Gewebe haftete. Kershaw fühlte sich ein wenig an das Gabelbein eines Hühnchens erinnert. »Wenn jemand erdrosselt wird, bricht in den meisten Fällen das Zungenbein. Doch der kleine Kerl hier ist unversehrt.« Wie ein Zauberkünstler drückte er mit den Daumen in die Schnittstelle der Hörner, bis sie brachen. »Voilà!«
Kershaw musste eine Grimasse unterdrücken. »Also wurde sie Ihrer Ansicht nach weder erstochen noch erwürgt oder erstickt«, sagte sie. Der Stift schwebte über dem Notizbuch.
»Richtig.«
»Und wie ist sie dann gestorben?«
»Nun, die kreideartigen Rückstände, die ich im Magen sichergestellt habe, lassen vermuten, dass sie wenige Stunden vor ihrem Tod Drogen konsumiert hat«, erwiderte Waterhouse.
»Selbstmord?« Kershaw versuchte nicht, die Enttäuschung in ihrem Tonfall zu verbergen.
»Ich fürchte, die Aufklärung der Absicht muss ich Ihnen überlassen, Detective«, erwiderte er und klopfte mit den Fingern auf das Schneidebrett. »Doch ich würde die Vermutung wagen, dass es sich nicht um Paracetamol aus der Apotheke handelt.«
Mit der Miene eines Mannes, der versucht, ein Paar zusammenpassender Socken zu finden, wühlte er in dem Eingeweidehaufen herum, bis er auf einen glänzenden, braunen, etwa faustgroßen Lappen stieß, den er vor sie hinlegte.
»Niere?«, fragte sie. Einfach ekelhaft – die hatte sie sich schon als Kind zu essen geweigert, was auch weiterhin galt.
»Richtig!«, antwortete Waterhouse und breitete das Organ auf dem Brett aus. »Stochern Sie ein wenig darin herum und sagen Sie mir, was Sie sehen.«
Kershaw nahm das angebotene Skalpell und schnitt einige Male ins Gewebe ein. Wonach sollte sie suchen? Doch dann, als sie sich weiter vorbeugte, entdeckte sie etwas – einige magentarote, leuchtende Punkte auf der rosig-bräunlichen Oberfläche.
»Diese Tupfen?«, fragte sie. »Sind die normal?«
»Nein, Detective, das sind sie nicht.«
Waterhouse nahm die Niere und drehte sie im Licht hin und her. »Diese Petechien – Einblutungen – weisen auf ein akutes Nierenversagen hin.«
Stirnrunzelnd betrachtete Kershaw die Ansammlung von Punkten. »Was könnte die Ursache sein?«, fragte sie.
»Da gibt es einige.« Er schürzte die Lippen. »Doch ganz spontan würde ich auf Rhabdamyolyse tippen.« Er schmunzelte, als er ihren Gesichtsausdruck bemerkte. »Eine Beschädigung des Muskelgewebes setzt ein Protein namens Myoglobin in den Blutkreislauf frei, was letztlich zu Nierenversagen führen kann.«
»Ein Muskelschaden?«
»Ja, Rhabdamyolyse tritt zum Beispiel häufig bei schweren Quetschungen auf.« Er hielt inne und neigte den Kopf. »Allerdings denke ich, dass chemische Ursachen hier am ehesten in Frage kommen. Eine durch Drogen ausgelöste Überhitzung könnte ihre Körpertemperatur so erhöht haben, dass das Gewebe buchstäblich verkocht ist.«
Kershaw erinnerte sich an einen Zeitungsartikel am schwarzen Brett der Universität. Es ging um einen Studenten, der zu viel Ecstasy eingeworfen hatte und an Überhitzung gestorben war. Die »Ausgeflippten«, also die mit Tonnen von Metall im Gesicht, waren normalerweise hackedicht von dem Zeug. Selbst einige Kriminalistikstudenten testeten den Stoff. Sie selbst hatte es nie versucht. Ein paar Drinks waren ja in Ordnung, aber bei der
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