Sündenfall: Roman (German Edition)
sehr phantasievolle Softpornoposen – sie reckte den Po, drückte die kleinen Brüste zusammen oder lag mit gespreizten Beinen da. Nicht sehr künstlerisch, dachte Janusz. Kein Wunder, dass der Fotograf in Panik geraten war, als Janusz sich als Weronikas Bruder vorgestellt hatte. Wahrscheinlich hatte er geglaubt, dass ihm jetzt eine Abreibung drohte.
Die Bilder deprimierten ihn und stießen ihm gleichzeitig sauer auf. Die amateurhaft obszönen Posen passten nicht zu den unschuldig geschürzten Lippen des Mädchens. Außerdem wirkten ihre Augen glasig, als sei sie betrunken – oder stünde unter Drogen. In diesem Moment kam er zu dem Schluss, dass er sein Versprechen nicht halten konnte, Pani Tosik einfach nur die Adresse weiterzugeben. Wenn er Weronika fand, würde er sein Bestes tun, das Mädchen zu überreden, diesen Mistkerl in die Wüste zu schicken. Und dann würde er Pawel Adamski eine kurze, aber schmerzhafte Lektion zum Thema Verhalten gegenüber Damen erteilen.
Janusz tippte auf den Kontaktabzug. »Könnten Sie ihm die Abzüge mit der Post schicken?«, fragte er den Mann.
Der Mann warf einen Blick auf den Deckel der Mappe. »Klar, aber dazu brauche ich eine Adresse. Er hat keine hinterlassen. Auch keine Telefonnummer.«
Das war ein Schlag. Nachdem Janusz versprochen hatte, die Adresse seines Freundes telefonisch durchzugeben, ging er. Zumindest hatte er jetzt einen Namen.
SECHS
D ie Rechtsmedizin von Wapping war in einem gedrungenen Gebäude aus grauem Backstein untergebracht, um das eine hohe Mauer verlief, sodass das Ganze eher wie ein Fabrikgelände als wie eine medizinische Einrichtung wirkte, dachte Kershaw, während sie auf die zerbeulte Gegensprechanlage neben dem großen doppelflügeligen Stahltor drückte.
Kurz darauf half ihr eine Pathologieassistentin mit schwarz gefärbter Igelfrisur und Augenbrauenpiercing in einen blauen Baumwollkittel, wie Chirurgen sie bei Operationen trugen.
»Ihr erstes Mal?«, erkundigte sie sich sachlich.
Kershaw nickte. »Aber ich bin nicht zimperlich«, fügte sie hinzu, bevor ihr klar wurde, dass ihr Tonfall übertrieben nachdrücklich gewesen war.
Das Gruftiemädchen ging nicht weiter darauf ein. »Falls Ihnen komisch wird, sagen Sie Bescheid, bevor Sie uns noch umfallen, in Ordnung?« Sie wartete, bis Kershaw blaue Überschuhe aus Plastik angezogen hatte, und marschierte dann voran, einen gefliesten Korridor entlang in den Autopsiesaal.
Kershaw hatte Szenen wie diese schon unzählige Male im Fernsehen gesehen – der niedrige, gekachelte Raum, die nackten Körper auf Edelstahlbahren, einige noch unversehrt, andere bereits seziert. Doch es war ein kleiner Unterschied zu wissen, dass es sich nicht nur um eine kunstvolle Anordnung von Wachspuppen und Kunstblut handelte. Außerdem konnte das Fernsehen einen nicht auf den Geruch vorbereiten – eine abscheuliche Mischung aus gehackter Leber, Körperflüssigkeiten und Bleiche.
An der ersten Bahre blieb das Gruftiemädchen stehen. » DB 16«, verkündete sie. Auf dem flachen Edelstahl lag, mit ausgestreckten Armen und Beinen, das Mädchen mit dem tizianroten Haar – oder das, was von ihr noch übrig war.
»Ich sage Dr. Waterhouse, dass Sie da sind«, meinte die Assistentin und ließ Kershaw mit der Leiche allein.
Das Mädchen war vom Schlüsselbein bis zum Schambein aufgeschlitzt. Wo ihre Eingeweide gewesen waren, klaffte eine dunkelrote Höhle. Zwischen ihren Beinen lag ein bläulicher Haufen von Gedärmen, als hätte sie sie gerade geboren. Die Haut mit der gelblichen Fettschicht darunter war von Gliedmaßen und Torso entfernt worden und befand sich nun neben ihr wie eine ausgezogene Jacke. Der Brustkorb war geöffnet, jede Rippe getrennt und zurückgebogen. Durch einen Abfluss unter der Bahre lief Wasser mit einem melodischen Plätschern, das gar nicht hierher passen wollte.
Das Gute daran war, dachte Kershaw, dass sie nun nicht mehr wie ein Mensch aussah, sondern eher wie der Überrest einer Raubtiermahlzeit in der Serengeti.
» DC Kershaw, wie ich annehme?«
Sie wandte den Blick von der Leiche ab und bemerkte einen hochgewachsenen, silberhaarigen Mann, der sich an einem Waschbecken die behandschuhten Hände abspülte. Dann kam er mit einem strahlenden Lächeln auf sie zu.
»Willkommen, willkommen«, sagte er.
»Danke, dass ich hier sein darf, Doktor«, erwiderte sie.
»Keine Ursache«, entgegnete Dr. Waterhouse. »Ich freue mich immer, wenn ein junger Detective sich den Anforderungen einer
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