Sündenfall: Roman (German Edition)
Dame könnte Polin sein«, antwortete Waterhouse, als wäre die Sache damit klar.
Kershaw betrachtete ihn zweifelnd. »Ich verstehe den Zusammenhang nicht.«
»Habe ich das nicht erwähnt?«, gab er zurück und drehte sich zu ihr um. »Die drei Mädchen, die in einer einzigen Nacht gestorben sind, haben in Polen gelebt. In Danzig, wenn ich mich recht entsinne.«
SIEBEN
J anusz reckte das Kinn und fuhr mit dem Rasierer von der Kehle bis zum Kiefer. Ihm gefiel das Scharren der Klinge. Als er sie unter dem Wasserhahn ausspülte, spürte er ein Prickeln im Nacken, das ihm verriet, dass er beobachtet wurde.
Er drehte sich um und stellte fest, dass es Copernicus war, der große graue Tigerkater, der ihn vor fast zehn Jahren adoptiert hatte und nun in der Badezimmertür stand. Obwohl der Blick des Katers gleichmütig wirkte, war die Botschaft unmissverständlich.
»Schon gut, Copetka. Ich weiß, dass das Abendessen im Hotel Kiszka heute ein bisschen spät dran ist«, sagte Janusz und wusch den letzten Rest Rasierschaum weg. Der Kater machte mit einer anmutigen Bewegung kehrt und marschierte zum Küchenschrank.
Nachdem Janusz ihn gefüttert hatte, öffnete er das Küchenfenster, um ihn auf die Feuerleiter hinauszulassen, und blickte ihm nach, während er die sechs Stockwerke hinuntertrottete. In der zunehmenden Dämmerung konnte er unter den Platanen, die die Highbury Fields säumten, die ersten Osterglocken erkennen.
Inzwischen war das hier eines der besten Wohnviertel im Norden Londons. Doch damals, Anfang der Achtziger, als die erste polnische Auswanderungswelle Janusz an die Küste von Islington gespült hatte, konnten die Einheimischen – kleine Angestellte und Facharbeiter – gar nicht schnell genug von hier wegziehen. An ihrer Stelle kamen Iren, Polen, Schwarze und einige schräge Vögel, die sich vom Ruf des Viertels als Hochburg der Kriminalität nicht abschrecken ließen. Anfangs war die Wohnung nichts weiter als ein billiger Schlafplatz gewesen, dessen Miete er sich mit Kollegen von der Baustelle teilte. Außerdem hatte ihm die Aussicht schon immer gefallen.
Als sein jüdischer Vermieter beschlossen hatte, seine Zelte abzubrechen und sich ins Gelobte Land aufzumachen, hatte Janusz genug Eigenkapital angespart und nahm einen Kredit auf, um die Wohnung zu kaufen. Inzwischen hatte er nur noch ein Problem, nämlich die schiefen Blicke seiner neuen Nachbarn, alles Banker und Werbeleute, die es offenbar nicht fassen konnten, dass sie in einem Haus mit schicken Eigentumswohnungen in Highbury mit einem polnischen Einwanderer Tür an Tür wohnten. Tja, ihr Pech, dachte er. Er war zuerst hier gewesen.
Janusz ging zum Kühlschrank, um sich zu vergewissern, dass er alles fürs Abendessen dahatte. Kasia würde in einer knappen Stunde kommen. Mit dem Aussehen des Rindfleisches, ein dunkelrotes, marmoriertes, dickes Steak zum Schmoren, für das er auf dem Bauernmarkt in Islington einen Mondpreis bezahlt hatte, war er zufrieden. Bei Fleisch lohnte es sich einfach, ein oder zwei Pfund mehr auszugeben.
Er kippte das große Panoramafenster im Wohnzimmer, um den Geruch nach abgestandenem Zigarettenqualm zu vertreiben, und nahm ein schmutziges Glas und einen Stapel Broschüren vom Marmorsims des Kamins. Aber im nächsten Moment legte er die Sachen mit einem Schmunzeln zurück: Kasia würde später sicher gern hier aufräumen.
Anfangs versprach der Abend, recht angenehm zu werden.
Ja, er und Kasia waren anfangs ein wenig schüchtern, und die Umarmung an der Tür fiel leicht verlegen aus. Aber da es sich um ihre erste Verabredung handelte, seit sie vor zwei Wochen miteinander geschlafen hatten, war es nicht anders zu erwarten. Jene Nacht vor vierzehn Tagen war der Höhepunkt der wochenlangen heimlichen Treffen bei Kaffee und Kuchen gewesen, wenn Kasia eine kurze Arbeitspause hatte einlegen können – Begegnungen, so aufreizend wohlanständig, als hätten zwei polnische Großmütter die Anstandsdamen gespielt. Es war wieder einmal typisch, dachte Janusz, dass er ausgerechnet an die einzige sittsame Stripperin der Weltgeschichte hatte geraten müssen.
Während Kasia das Wohnzimmer aufräumte und über die Unordnung schimpfte, schnitt er das Fleisch in drei Zentimeter dicke Stücke und fing an, Zwiebeln und Knoblauch zu hacken.
Nach einer Weile kam sie in die Küche, lehnte sich an die Arbeitsplatte, zündete sich eine Zigarette an und sah zu, wie er das Fleisch anbriet. »Ich habe noch nie einen polnischen Mann beim
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