Sündenfall: Roman (German Edition)
Kochen erlebt – nicht einmal ein Ei!«, verkündete sie, als er eine rote Paprikaschote zerteilte. Er zuckte die Achseln. »Ich finde das wunderbar«, fügte sie hinzu. »Ich bin in der Küche eine katastrofa . Und wie soll ich außerdem damit kochen?« Sie zeigte ihm ihre gefährlichen Krallen.
»Das wollte ich dich schon immer mal fragen: Warum lackierst du dir die Nägel eigentlich schwarz?«, erkundigte er sich und viertelte die Egerlinge.
»Damit habe ich angefangen, als ich noch Gruftie war«, erwiderte sie und betrachtete ihre ausgestreckten Hände. »Und dann habe ich es eben so gelassen.« Achselzuckend zog sie an ihrer Zigarette. »Vielleicht, weil es lustig ist, ein bisschen anders zu sein.Wo hast du eigentlich kochen gelernt? Schaust du dir die polnischen Fernsehsendungen an?«
Er schüttelte den Kopf. »Meine Mama hat es mir von frühester Kindheit an beigebracht.« Mit einem Holzlöffel rührte er Knoblauch und Zwiebeln unter das heiße Öl in der Pfanne, der sofort ein aromatisches Knistern entstieg. »Wenn es in den Läden nichts zu kaufen gab, sind wir mit einem Korb aufs Land gefahren und haben etwas Leckeres für Tatas Abendessen gesucht. Im Sommer gab es wilden Spargel oder Preiselbeeren, aus denen wir Marmelade machten …«
Kasia lächelte, als sie seinen nostalgischen Tonfall hörte. Janusz’ Kindheit mit den Besuchen bei seiner Großmutter, die in einem verfallenen Bauernhaus am Stadtrand von Danzig lebte, war eine Million Kilometer von ihren tristen Erinnerungen an ein von den Sowjets erbautes Hochhauslabyrinth in der Industriestadt Rzewow entfernt. Sie liebte die Geschichten aus seinen Kindertagen, die vom Einsammeln warmer Eier im Hühnerstall und dem Klettern auf die hohen Apfelbäume im Obsthain handelten. Das Seltsame war, dass sie davon stets Heimweh bekam, obwohl sich seine Erinnerungen so von ihren unterschieden.
Sie schnippte die Asche von ihrer Zigarette und schaute aus dem Küchenfenster. »Woher wusste deine Mama, was giftig ist und was nicht?«
»Sie kam aus einer Bauernfamilie und war ein richtiges Mädchen vom Land. Sie konnte sogar Birkenwein machen. Im Frühling schneidet man die Rinde ein« – er machte mit dem Kochlöffel den Längsschnitt vor – »und zapft ein paar Liter Saft ab. Aber man muss vorsichtig sein: Wenn die Verletzung zu groß ist, stirbt der Baum.«
Er goss einen Krug voll Wasser über Fleisch und Gemüse und fuhr, über die Schulter gewandt, fort: »Im Oktober und November fahre ich mit der U-Bahn nach Epping und gehe zum Pilzesammeln in den Wald. Mit ein wenig Glück findet man boletas – Steinpilze. Wenn du möchtest, nehme ich dich mit und zeige dir, welche essbar sind.«
Kurz entstand Schweigen, als sie beide dasselbe dachten, ohne es auszusprechen … wenn sie in sechs Monaten noch zusammen waren .
Er warf ein paar grob gehackte rote Chilis in die Pfanne. Die letzten Zutaten – ein wenig saure Pflaumenmarmelade und eine Tasse Buttermilch – kamen erst ganz zum Schluss.
Beim Kochen hatte er ihr immer wieder verstohlene Blicke zugeworfen und erleichtert festgestellt, dass der Bluterguss an ihrem Wangenknochen völlig verblasst und auch kein neuer hinzugekommen war. Offenbar hatte seine Warnung bei Steve gewirkt – zumindest vorerst. Laut Kasia hatte Steve ihr außerdem die Geschichte abgekauft, dass Janusz ihr Cousin aus Polen war. Ebenfalls eine Erleichterung, denn er wollte diesem chuj keinen neuen Vorwand liefern, sie zu schlagen.
Er öffnete den Kühlschrank und holte ein Glas mit cremefarbenem Fett heraus.
»Was ist das?«, fragte Kasia.
»Gänseschmalz, um die Kartoffeln zu braten«, erklärte er und gab etwas davon in eine Bratpfanne.
»Ach, Gänseschmalz ist gesund!«, rief Kasia aus und untersuchte das Glas. »Man nimmt davon ab.« Als sie seinen zweifelnden Augenausdruck bemerkte, fügte sie hinzu: » Das stimmt – ich habe es in einer Zeitschrift gelesen.«
Kasia mochte einen scharfen Verstand haben, dachte Janusz, aber sie hing wie alle polnischen Frauen verbissen einer ganzen Reihe häufig unsinniger Ernährungsmythen an: eine reichhaltige Mischung aus katholischen Vorschriften, Ammenmärchen aus dem Polen des Mittelalters und dem Mist, den die Hochglanzzeitschriften verbreiteten.
Janusz hielt das Glas hoch und schlug einen bierernsten Tonfall an: »Führende staatliche Wissenschaftler warnen: Zu viel Gänseschmalz kann zu schwerwiegendem Gewichtsverlust führen. Bitte nur sparsam verwenden.« In gespielter Empörung
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