Sündenfall: Roman (German Edition)
wollte sie ihm das Glas aus der Hand reißen.
Doch er fing sie geschickt ab. Seine große Hand umfasste mühelos ihr Handgelenk. »Kannst du heute Nacht bleiben?«, fragte er. Es war das Beste, dieses Thema – und Steves Phantom – gleich zu Anfang aus der Welt zu schaffen, damit es nicht den ganzen Abend überschattete. Sie sah ihn an und nickte. »Ich übernachte bei meiner Schwester.« Grinsend fasste er sie um die Taille und tanzte mit ihr durch die kleine Küche, ohne auf ihre Proteste zu achten.
Eine halbe Stunde und einige Gläser eines recht trinkbaren, tschechischen Pinot Noir später ließ er sich auf dem großen Ledersofa nieder und beobachtete Kasia, die die hohen Bücherregale zu beiden Seiten des Kamins begutachtete, während Bratkartoffelduft und pfeffriges Eintopfaroma durch die Wohnung wehten. Er fühlte sich so glücklich und entspannt wie – und diese Erkenntnis überkam ihn völlig überraschend – damals mit Iza vor mehr als fünfundzwanzig Jahren.
Das Bild von ihr in einem Straßencafé am Danziger Hafen stand ihm vor Augen, flackernd wie ein alter Amateurfilm. An der einen Hand, die um eine dampfende Tasse geschlossen war, trug sie einen roten Wollhandschuh. Den anderen Handschuh hatte sie ausgezogen; er rieb ihre nackte Hand, um sie zu wärmen, und lachte darüber, wie eiskalt ihre Finger waren.
Er zündete sich eine Zigarre an. Zum Teufel mit der Vergangenheit, dachte er.
»Später kommt im Kabelfernsehen ein Film von Polanski, falls du ihn sehen möchtest.«
Sein Tonfall war vorsichtig – es war nicht das erste Mal, dass er versuchte, ihr Interesse am Film wieder zum Leben zu erwecken. Denn obwohl Kasia einen erstklassigen Abschluss an einer weltberühmten Filmhochschule in der Tasche hatte, war sie seit Good Fellas nicht mehr im Kino gewesen.
»Vielleicht«, antwortete sie und zog eine Schulter hoch, bevor sie sich bückte, um einen leeren Briefumschlag unter dem Lehnsessel hervorzuangeln.
»Es ist Das Messer im Wasser . Der Film, in dem ein Paar einen Segelausflug auf den Seen macht.«
»Der mit dem psychol ?« Sie verzog übertrieben das Gesicht, indem sie die Winkel ihres wunderschönen breiten Mundes nach unten bog. »Zu deprimierend!«
Oskar hatte, was Kasias Desinteresse an Filmen anging, eine Theorie entwickelt, die vermutlich auf Gosias Mist gewachsen war: Offenbar bereue sie es, dass sie Steve zuliebe ihr Ziel nicht weiterverfolgt habe, Regisseurin zu werden. Nun könne sie es nicht ertragen, an diesen Irrtum erinnert zu werden, und klammere sich deshalb nicht wegen ihres katholischen Glaubens an diese Ehe, sondern weil sie sonst hätte zugeben müssen, dass sie ihre Jugendträume umsonst weggeworfen hatte.
Janusz war da skeptisch. Für ihn handelte es sich bei der Psychologie um eine Pseudowissenschaft ohne empirische Grundlagen. Doch hin und wieder ertappte er sich trotzdem bei der Frage, ob Oskars These vielleicht ein Körnchen Wahrheit enthielt.
»Gefällt dir mein neues Kleid?«, fragte sie unvermittelt und stolzierte wie auf dem Laufsteg hin und her.
Die Frage brachte Janusz in Verlegenheit. Bei ihrer Ankunft hatte er zwar bemerkt, dass sie ein Kleid trug, und nicht wie sonst enge schwarze Jeans und ein T-Shirt. Doch das schwarze, ziemlich lange Etuikleid war wohl eher etwas für eine Frau mit Figurproblemen. Warum versteckte Kasia ihren tollen Körper unter einem Sack?
Sie spürte sein Zögern. »Es gefällt dir nicht?«
»Es ist … elegant, Liebling …«, stammelte er, »aber ich finde, du würdest in etwas … Figurbetonterem besser aussehen.«
Sie wich seinem Blick aus. »Meinst du, eine exotische Tänzerin sollte sich auch anziehen wie eine Hure?«
Kurwa! Das war gefährliches Terrain und nicht das erste Mal, dass Kasia, was ihren Job betraf, empfindlich reagierte. Janusz war das rätselhaft. Wenn sie nicht strippen wollte, warum tat sie es dann? Und wenn sie es wollte, warum reagierte sie dann so mimosenhaft?
»Natürlich nicht, Liebling. Außerdem würdest du immer aussehen wie eine Dame, ganz gleich, was du anhast.«
Sie lächelte beschwichtigt. Als sie näher kam, rümpfte sie wegen des Zigarrenrauchs die Nase. »Das riecht ja wie ein Lagerfeuer«, beschwerte sie sich, bevor sie sich eine Marlboro Light zwischen die Lippen steckte und sich vorbeugte, um sich Feuer geben zu lassen.
Er nutzte die Gelegenheit, zog sie stattdessen an sich und küsste sie, diesmal richtig. Da sie sich nicht wehrte, warf er sie aufs Sofa, zerrte an ihrem Kleid
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