Sündenfall: Roman (German Edition)
Stunde später verstand er immer noch nicht, was da passiert war: Welches Recht hatte sie, eifersüchtig zu sein, wenn sie doch diejenige war, die mit einem anderen Mann schlief? Dass dieser Mann ihr Ehemann war, erleichterte die Sache nicht gerade. Nein! Dass er sich ausmalen konnte, wie dieser miese Cockney sie vögelte, machte es noch tausendmal schlimmer.
Mühsam schob er den Gedanken an Kasia beiseite, warf sich aufs Sofa und kippte ein Glas Rotwein mit einem Schluck hinunter. Dann holte er das Foto von Weronika, das mit dem Pelzmantel, aus seiner Brieftasche. Etwas an dem Mädchen, ihre unschuldige Schönheit und, ja, gut, auch dass sie ihn an Iza erinnerte, ging ihm unter die Haut und ließ es ihm umso dringender erscheinen, sie unbedingt zu finden. Naprawd ę , es war sogar noch schlimmer, wie ihm zu seiner Verlegenheit klar wurde: Er wollte sie retten.
Janusz schaltete den Herd aus und kippte die Bratkartoffeln nach kurzem Zögern in den Müll. Wenn sie erst einmal abgekühlt waren, würden sie nie wieder knusprig werden.
Als Janusz aus der von zwei steinernen Säulen flankierten Vordertür trat, bemerkte er, dass über ihm ein neues Schild mit der Aufschrift »Zu verkaufen« hing. Oskar fand, er könnte einige Hunderttausend Gewinn machen, wenn er die Wohnung verkaufte und sich ein Stück weiter draußen etwas anderes suchte. Aber warum sollte er in einer Gegend wie Enfield wohnen wollen, wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagten?
Nein, Highbury Mansions würde er nur in einem Mantel aus Eichenholz verlassen, wie sein Vater immer zu sagen pflegte – Gott schenke seiner Seele Frieden .
Wie gewöhnlich nahm er den kürzesten Weg zur U-Bahn, schnurstracks über das südliche Ende der dunklen Grünanlage. Er spürte, wie die Feuchtigkeit aus dem Gras in seine Schuhe drang. Auf halber Strecke sah er sich um, ohne langsamer zu werden – in letzter Zeit hatte es hier einige Überfälle gegeben. Doch als er wieder nach vorne schaute, stellte er fest, dass ein breit gebauter, kräftiger Mann, der beinahe so groß war wie er, am Rande der Grünfläche, etwa fünfundzwanzig oder dreißig Meter entfernt von ihm, auf dem Gehweg stand. Sicher war er aus einem parkenden Auto gestiegen, war Janusz’ erster Gedanke. Aber warum hatte er dann nicht das unverkennbare Geräusch einer zufallenden Autotür gehört? Er musterte die massige, mit einem teuer wirkenden Parka bekleidete Gestalt, die langsam unter den orangefarbenen Lichtkegeln der Straßenlaternen dahinschlenderte, bis der Mann schließlich hinter dem Freizeitzentrum verschwand.
Janusz konnte nicht genau sagen, was ihm an diesem Mann aufgefallen war – wie ein Straßenräuber sah er eindeutig nicht aus. Er wusste nur, dass ihm irgendetwas an ihm verdächtig vorkam.
Der FlashKlub, das Lokal, das Justyna als Treffpunkt vorgeschlagen hatte, befand sich im Keller eines baufälligen Fabrikgebäudes aus den Fünfzigern in einer Gegend namens Maryland, am östlichen Rand von Stratford. Obwohl der Name nach ländlicher Idylle klang, war das Viertel trist und schmuddelig – vom Olympia-Effekt war hier nichts zu bemerken. Als er sich in der Schlange der auf Polnisch durcheinanderredenden Jugendlichen anstellte, kam er sich alt und wie ein Fremdkörper vor. Doch der junge Türsteher wirkte nicht überrascht und begrüßte ihn mit einem höflichen »Dobry wiecz ó r, Panie«. Allerdings machte er eine entschuldigende Geste in Richtung der Zigarre, sodass Janusz sie auf dem Gehweg austrat, bevor er, so begeistert wie ein Mann auf dem Weg zum Zahnarzt, die wackelige Treppe in den Club hinunterstieg.
Justyna saß auf einem Barhocker und spielte am Strohhalm in ihrem Glas herum. Sie war sogar noch attraktiver, als er sie in Erinnerung hatte: schimmerndes, schulterlanges Haar und cognacfarbene Augen. Offenbar war sie erleichtert, ihn zu sehen – sie wurde bestimmt pausenlos von Männern belästigt, die ihr Glück versuchen wollten. Er bestellte ein Tyskie und noch einen Apfelsaft für sie. Als er ihr vorschlug, ihn mit einem Schuss Büffelgraswodka aufzupeppen, schüttelte sie den Kopf. Vielleicht befürchtete sie ja, dass Alkohol ihr die Zunge lockern könnte, dachte er.
Ein gewaltiger Bildschirm, auf dem Musikvideos liefen, dominierte den Raum. Das aktuelle war offenbar in einer verfallenen sowjetischen Wohnblocksiedlung aufgenommen und zeigte zwei magere Jungen mit Stoppelhaarschnitt. Sie waren angezogen wie Gangster aus einem amerikanischen Ghetto und quälten sich,
Weitere Kostenlose Bücher