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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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abgebildet war. Es stellte einen strahlenden Lech Wa łę sa dar, der von seinen triumphierenden Anhängern auf den Schultern getragen wird, und zwar unter der berühmten roten Flagge der Gewerkschaft mit dem Wort Solidarność in fröhlichen, beinahe kindlichen Buchstaben darauf. Dieses bekannte Bild zeigte die Feier der abgeschlossenen Verhandlungen am runden Tisch, bei denen der Regierung von General Jaruzelski das Versprechen abgerungen worden war, Wahlen abzuhalten.
    Wałęsa war zwar nicht sehr gekonnt porträtiert, doch seine hässliche Visage war unverkennbar. Von den Gesichtern im Vordergrund erkannte Janusz nur zwei – Tadeusz Mazowiecki, den späteren Premierminister, und Edward Zamorski, den aktuellen Präsidentschaftskandidaten. Verglichen mit dem stattlichen älteren Herrn auf den Wahlplakaten, sah der junge Zamorski erstaunlich frisch und jugendlich aus.
    Ein ungewöhnlicher Literaturgeschmack für Adamski, den Drogenhändler, und Weronika, laut Justyna eine unreife Jugendliche, dachte Janusz. Im nächsten Moment fiel ihm ein, dass er vergessen hatte, sie zu fragen, wie Adamski eigentlich aussah, und er nahm sich vor, sie später deshalb anzurufen. Immer noch verwundert wegen des Buches, ging er zum Einbauschrank, der die gesamte Wand einnahm, öffnete ihn – und erstarrte.
    An einem Kleiderbügel hing der Pelzmantel, den Weronika auf dem Foto trug und der laut Pani Tosik angeblich von TK Maxx stammte. Schwachsinn . Janusz strich über das helle, weiche Fell. Er mochte zwar kein Experte für das Warenangebot dieses Modediscounters sein, war aber ziemlich sicher, dass hochwertige russische Nerze nicht dazugehörten.
    Falls er einen weiteren Beweis dafür gebraucht hatte, dass Adamski bis über beide Ohren in der Scheiße steckte, hatte er ihn nun. Das mit dem vergessenen Essen konnte schon einmal vorkommen. Aber weshalb waren die beiden Turteltäubchen vor einigen Tagen derart Hals über Kopf aus ihrem Nest geflohen, dass sie einen Pelz im Wert von zwanzig Riesen zurückgelassen hatten? Dass die Leute, die das Haus verwüstet hatten, so auffallend desinteressiert an den überall hier herumliegenden Wertsachen gewesen waren, gefiel Janusz ebenfalls nicht. Nein, diese Kerle waren hinter Adamski her, und als sie ihn nicht angetroffen hatten, hatten sie das Haus durchwühlt – entweder auf der Suche nach Drogen und Geld oder nach einem Hinweis darauf, wo er stecken mochte.
    Janusz fluchte leise vor sich hin. Der Auftrag hatte eigentlich ganz einfach ausgesehen: Weronika finden, sie überreden, ihrem zwielichtigen Freund den Laufpass zu geben, oder sie zumindest dazu bringen, sich bei ihrer Mama zu melden. Inzwischen machte es allerdings den Eindruck, als sei das Paar auf der Flucht vor einer Bande von gangsterzy . Wahrscheinlich ging es um eine Meinungsverschiedenheit wegen Drogen, was hieß, dass das Mädchen in ernster Gefahr schwebte.
    Als er die Schranktür schloss, hörte er draußen Oskars Stimme. Sein Freund sprach sehr laut, vermutlich, um ihn zu warnen. Janusz spähte durch eine Lücke im Vorhang, und ihm blieb fast das Herz stehen. Unten stand ein kräftig gebauter Mann in einer Wachsjacke, dessen Körpersprache Misstrauen ausstrahlte, während Oskar mit seinem Schleifblock auf das Haus wies und sein Sprüchlein aufsagte.
    Es sah gar nicht gut aus.
    Janusz verdrückte sich ins Badezimmer, schlüpfte rasch aus dem Overall und hielt den Kopf unter den Wasserhahn. Zitternd und mit bang klopfendem Herzen strich er sein nasses Haar glatt, nahm einen Bademantel vom Haken hinter der Tür und bekreuzigte sich zweimal. Jetzt ging es um alles oder nichts, dachte er und riss das Badezimmerfenster auf.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte er in seinem besten Oberschichtakzent, während er lautlose, innige Dankgebete für die Kriegsfilme zum Himmel schickte, die er auf Anweisung seiner Mutter hatte ansehen müssen, damit er Englisch lernte.
    Der Mann blickte auf. »Ah! Es ist ja jemand zu Hause«, verkündete er selbstbewusst. Ob ihn Janusz’ plötzliches Erscheinen überraschte, war nicht festzustellen. »Ich wollte nur sichergehen, dass dieser Bursche nichts im Schilde führt. Ich habe ihn beobachtet, als ich von meinem Wegerecht Gebrauch gemacht habe.« Er wies auf die Gartengrenze. Janusz verfluchte die unergründlichen englischen Gesetze, die es jedem x-Beliebigen erlaubten, eine Abkürzung durch die Gärten fremder Leute zu nehmen.
    »Nun, das war aber sehr aufmerksam von Ihnen«, erwiderte er ruhig

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