Sündenfall: Roman (German Edition)
Tür ducken musste, um sich nicht den Kopf an den geschwärzten Balken zu stoßen, und ließ die teure Ausstattung, den zwei Meter breiten, topmodernen Plasmabildschirm und die schicken Möbel auf sich wirken. Justyna hatte recht: Dieser Adamski musste Geld wie Heu haben, um sich ein solches Haus leisten zu können. Allerdings war es ein chlew , ein Schweinestall. Zeitschriften, Papiere und die Polster des Sofas lagen auf dem Boden herum. Die Schubladen eines antiken Sideboards waren aufgerissen, und ein dünner Schmierer an der Wand wies darauf hin, dass das Möbelstück verschoben worden war.
Im Esszimmer herrschten ähnliche Zustände. Ein offenbar ebenfalls antiker Schreibtisch war ausgeräumt worden. Sein Inhalt lag auf dem Boden, und eine der Schubladen war zersplittert, als hätte sie jemand aufgebrochen. Janusz wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. Die Heizkörper strahlten heiße Wellen ab, und ein fauliger Geruch lag in der Luft. Allmählich wurde Janusz mulmig. Das Haus sah aus wie von einer Horde Einbrecher durchwühlt. Doch warum hatten sie die nagelneue, noch originalverpackte Wii-Spielkonsole übersehen, die an der Wand stand? Als er einen Stapel Papiere auf dem Boden durchblätterte, stieß er auf die Garantien für den Plasmabildschirm und eine Stereoanlage von Bose, Quittungen des Online-Supermarkts Ocado und Speisekarten vom Heimservice. Das Übliche eben. Er seufzte. Was hatte er auch anderes erwartet? Rechnungen für Ekstaza -Lieferungen?
Beim Umdrehen stieß er einen Stadtführer für London vom Schreibtisch. Ein Zettel rutschte heraus und fiel auf die Eichendielen. »Bannister, 87 Porto Belo« , stand in einer kindlichen Handschrift darauf. Janusz steckte den Zettel ein und setzte die Besichtigung fort.
In der L-förmigen Küche standen die Schränke offen. Der Inhalt war über die Arbeitsplatten verstreut. Auch die Kühlschranktür war nicht geschlossen. Janusz hielt sich den angewinkelten Arm über die Nase. Der widerliche Geruch war hier übermächtig. Vorsichtig näherte er sich der Essecke am Ende des L, von wo der Gestank zu kommen schien. Schweiß rann ihm das Schlüsselbein hinunter, und er musste eine plötzliche Angst vor dem, was er womöglich finden würde, niederringen.
Als er auf den Tisch zuging, auf dem eine volle weiße Einkaufstüte thronte, wurde der Gestank stärker. Das Herz klopfte heftig in seiner Brust, während er sich vorbeugte, um in die Tüte zu spähen, und er pustete lautstark Luft aus. Die Tüte enthielt zwei Bierflaschen und ein halbes Dutzend Aluschalen vom Heimservice, anscheinend ungeöffnet. Als er einen Deckel entfernte, löste der üble Geruch Brechreiz aus. Chow Mein mit Hühnchen. Einen schrecklichen Moment lang glaubte er schon, die gelben Nudeln seien zum Leben erwacht, bis ihm klar wurde, dass es in der Schale von Maden wimmelte.
Er schloss die Einkaufstüte, um sich den widerwärtigen Anblick zu ersparen, und kehrte zum offenen Kühlschrank zurück. Als er eine Milchflasche im obersten Regal berührte, stellte er fest, dass sie sich kühl anfühlte und feucht von Kondenswasser war.
Janusz trank ein wenig kaltes Wasser direkt aus dem Hahn und lehnte sich an die Arbeitsplatte, um nachzudenken. Die Mahlzeit, die Pawel und Weronika zwar bestellt, aber nicht gegessen hatten, war eindeutig mehrere Tage alt. Hingegen musste der Mensch, der den Kühlschrank geöffnet hatte, erst vor kurzem hier gewesen sein, also innerhalb der letzten Stunden. Falls Weronika nicht gewohnheitsmäßig verdorbenes Essen herumliegen ließ, was Janusz sich bei einem polnischen Mädchen nur schwer vorstellen konnte, war das Paar schon vor einigen Tagen verschwunden und nie zurückgekommen. Allerdings hatte heute jemand das Haus auseinandergenommen, offenbar, um etwas zu suchen.
Als er aus dem Augenwinkel eine plötzliche Bewegung wahrnahm, wirbelte er herum. Doch es war nur Oskars Puttengesicht am Fenster. Er grinste und bedeutete ihm, dass die Luft rein war. Janusz verscheuchte ihn mit einer entnervten Handbewegung und machte sich auf den Rückweg nach oben. Im Schlafzimmer des Paares war die Kommode halb leer. Es waren nur ein bisschen Unterwäsche und eine Tube ż el antykoncepcyjny zurückgeblieben, die Weronika vermutlich vergessen hatte.
Noch mehr erstaunte ihn die Bettlektüre des Paares. Auf dem Nachttisch lag eine Geschichte der Solidarność -Bewegung, ein dickes, anscheinend neues Hardcover, auf dessen Einband das berühmte Bild aus den späten Achtzigern
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