Sündenfall: Roman (German Edition)
damit vergeuden, sich darüber das Hirn zu zermartern.
»So«, begann Oskar. »Du sagtest doch, du hättest ein Foto von der Kleinen, die wir suchen.« Dabei wackelte er mit den buschigen Augenbrauen wie ein Schurke in einem Stummfilm.
Janusz kramte das Foto von Weronika im Pelzmantel heraus, das Pani Tosik ihm gegeben hatte.
»Ale laska!« , rief Oskar aus. »Die würde ich nicht von der Bettkante stoßen.«
Fünf Minuten später rasten sie an einem Schild vorbei, auf dem stand, dass sie nun Willowbridge erreicht hatten. Janusz gelang es, Oskar zu überreden, den Fuß vom Gas zu nehmen. Das Dorf bestand aus einem Pub mit Strohdach, einem Ententeich und kleinen Häusern aus Holz und Stein rings um eine Grünfläche. Gut, der Pub war mit einer riesigen Markise versehen, die für Fußball auf Sky TV warb, doch ansonsten war es ein englisches Dorf, wie Janusz es aus den Schwarzweißfilmen kannte, die er in seiner Kindheit in Polen gesehen hatte. Er rechnete schon damit, jeden Moment auf einen hinter einer Straßenecke versteckten heruntergekommenen Wohnblock zu stoßen, doch Adamskis Adresse entpuppte sich als geräumiges Haus mit einem hübschen Garten, gesäumt von einer Ligusterhecke, und einer Veranda aus im Lauf der Jahrhunderte silbergrau gewordenem Eichenholz. Als sie in einem diskreten Abstand anhielten, stieß Oskar einen Pfiff aus und rieb sich die Hände. »Der Junge hat offenbar Kohle.«
Von Adamskis BMW war nichts zu sehen, und nachdem sie das Haus etwa zehn Minuten lang beobachtet hatten, kam Janusz zu dem Schluss, dass niemand zu Hause war.
»Was nun?«, fragte Oskar mit einem gewaltigen theatralischen Gähnen – schließlich hatte er eine Zehnstundenschicht hinter sich. »Sie könnten für den ganzen Tag ausgeflogen sein.«
»Deshalb wollte ich ja, dass du Overalls und Werkzeug mitbringst«, erwiderte Janusz. »Ich werde mir das Haus nämlich von innen anschauen.« Er hatte die vage Hoffnung, vielleicht Hinweise auf Drogen zu finden und diese benutzen zu können, um Druck auf Adamski auszuüben – sofern er irgendwann endlich hier aufkreuzte.
Oskar rieb sich wieder die Hände. » Tak! Ich wollte schon immer mal James Bond spielen.«
»Ich erledige das besser allein, Oskar. Gosia würde mir nie verzeihen, wenn du meinetwegen verhaftet wirst.«
» Kurwa ma ć , Janek!« Oskar wuchtete bereits seine gedrungene Gestalt aus dem Wagen. »Du wirst mich nicht hier draußen im Auto sitzen lassen wie einen dummen Schuljungen.«
Seufzend zog Janusz seinen Overall an. Wenige Minuten später schlenderten sie, mit Werkzeugkasten und Leiter bewaffnet, wie zwei Handwerker unterwegs zur Arbeit, den Gartenpfad hinauf. Janusz betätigte die Klingel, die in der ländlichen Ruhe durchdringend schrill klang, und wartete. Nichts.
Nachdem er Oskar angewiesen hatte, Schmiere zu stehen, ging er ums Haus herum. Der Garten war so groß, dass man nicht feststellen konnte, wo er endete. Hinter dem Haus standen drei hohe Kastanienbäume, die es vor Blicken schützten. Im Erdgeschoss waren Fenster und Terrassentür fest geschlossen, doch im ersten Stock entdeckte Janusz, was er gesucht hatte: ein gekipptes Badezimmerfenster.
Janusz holte Oskar und lehnte die Leiter an die Hauswand. »Halt die Augen offen, während ich drinnen bin, einverstanden?« Oskar nickte. »Falls jemand kommt, tue ich so, als ob ich arbeite.« Er förderte einen in Schmirgelpapier gewickelten Holzklotz zutage. »Ich schleife das Holz ab, um es anschließend zu lackieren.« Er grinste wegen seines brillanten Plans.
Auf der obersten Sprosse stehend, sondierte Janusz die Lage. Perfekt: Die fünfzehn oder zwanzig Meter hohen Kastanien schirmten das Haus gegen neugierige Nachbarn ab. Dreißig Sekunden später hatte er das Fenster geknackt und wollte gerade das linke Bein aufs Fensterbrett heben, als ihm plötzlich ein Krampf durch den Oberschenkel schoss. Fluchend rieb er den verhärteten Muskel und wartete, bis der Schmerz nachgelassen hatte, bevor er das Bein belastete. Fassadenkletterer war eindeutig ein Beruf für junge Leute.
Sobald Janusz drinnen war, öffnete er den obersten Knopf seines Overalls, denn es war stickig und heiß im Haus. Dann sah er sich um. Es gab hier nicht nur eine elegante Badewanne mit geschwungenem Rand, sondern auch eine Dusche, die direkt aus der Decke kam. Der polierte Kalkstein, mit dem die Wände verkleidet waren, kostete sicher fünfzig bis sechzig Pfund pro Meter.
Er ging nach unten ins Wohnzimmer, wo er sich an der
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