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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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reden oder, noch schlimmer, nach Polen verschwinden. Und das wollen wir doch vermeiden.«
    Nun war sie wieder am Waveney. Als sie das Auto abschloss, war sie plötzlich absolut sicher, dass sie Kiszkas Neandertalervisage auf den Bändern zu sehen bekommen würde.
    Derek, der Sicherheitschef des Hotels, der sie an der Rezeption abholte, verkündete sofort, er sei pensionierter Polizist – was in Sachen Zusammenarbeit nicht schaden konnte. Am Ende eines Flurs öffnete er eine Tür, auf der »Security« stand, und führte sie in eine Welt, die sich himmelweit von dem Luxus im vorderen Teil des Gebäudes unterschied. Anstelle von Teppichen mit Monogramm, modernen Skulpturen und Tapeten für hundert Pfund die Rolle gab es hier nur einen Fußboden aus Fichtenlaminat und Wände aus gestrichenem Beton.
    Der Temperatursturz beim Eintreten ließ sie erschaudern. »Klimaanlage«, erklärte Derek. »Die Dinger müssen kühl gehalten werden.« Er wies mit dem Kopf auf die Reihe von Überwachungsbildschirmen und blinkenden Recordern.
    Entsetzt betrachtete Kershaw die Steinzeittechnologie. » VHS -Recorder?«, fragte sie ungläubig. »Ein Fünfsternehotel hat keine digitalisierten Aufnahmegeräte?«
    Verlegen spielte er an seinem Schlüsselbund herum. »Noch nicht. Das System stammt aus einem Hotel, das dichtgemacht hat.« Er zuckte die Achseln. »Angeblich ist es nur vorübergehend.«
    Es war eine Miniaturversion des Kontrollraums der Schnellstraße M25, den sie einmal besucht hatte, nur dass der ständige Verkehrsstrom hier aus Menschen bestand. »Sind das die Kameras in den Aufzügen?«, erkundigte sie sich und wies auf zwei schwarze Bildschirme. »Ja, ich fürchte, die sind kaputt«, antwortete Derek. »Aber ich habe die Bänder von der Rezeption und der Hotelhalle rausgesucht.« Er bat sie in einen kleineren, um einiges wärmeren Raum – seine »Höhle« –, damit sie sich die Aufnahmen, in einem bequemen Lehnsessel sitzend, ansehen konnte, und ging, um ihr eine Tasse Tee zu machen.
    Voller banger Erwartung schaltete Kershaw das erste Band ein, das aus der auf die Rezeption gerichteten Kamera stammte. Doch ihre Aufregung wurde beim Anblick des Films rasch von Enttäuschung abgelöst. Die Gäste zogen geisterhafte Schatten hinter sich her, und die Bildqualität war so miserabel, dass man kaum die Gesichter erkannte. Offenbar war das Band unzählige Male überspielt worden. Und um das Maß vollzumachen, hatte der Idiot, der die Kamera angebracht hatte, sie so montiert, dass sie hauptsächlich den Mitarbeiter an der Rezeption anstelle der Gäste filmte. Sie spulte vor und suchte nach der Stelle, die zeigte, wie »Lampart« – alias Kiszka – eincheckte. Doch ihre Niedergeschlagenheit wuchs, als sie nur verschwommene Rückenansichten der Hotelgäste und höchstens einmal ein Profil zu Gesicht bekam.
    Beim Vorspulen erhielt sie im Zeitraffer faszinierende Einblicke in den Hotelalltag. Gäste checkten ein und aus, holten Nachrichten ab und stritten sich. Ein Paar schien ein heimliches Rendezvous zu haben. Das Mädchen trug ein ausgeschnittenes, schulterfreies Kleid – ihr Haar war viel heller als Justynas – und konnte die Hände nicht von einem Mann im Anzug lassen. Allerdings weckte etwas an den beiden Kershaws Argwohn, und als sie das Band zurückspulte, erschienen ihr die Bewegungen der Frau mechanisch, weshalb sie das Paar als Sexarbeiterin und Kunde deutete.
    Inzwischen war es, nach der 24-Stunden-Uhr in der Bildschirmecke zu urteilen, 1:00 Uhr morgens. Doch bis jetzt waren die einzigen Gäste ein übergewichtiges Paar, amerikanische Touristen, wie Kershaw aus ihren identischen karierten Jacken und Hosen schloss.
    Ein zweiter Blick in ihre Notizen bestätigte ihr, dass Lamparts Kreditkarte um 1:19 Uhr durchs Lesegerät gezogen worden war, also genau in dem Moment, als Mr und Mrs Karo an der Rezeption standen. Sie ging nach nebenan, um Derek, den Sicherheitsmann, zu fragen, wobei sie sich Mühe geben musste, sich ihre Ungeduld nicht anmerken zu lassen.
    »Ach, Sie können sich doch sicher denken, was da passiert ist, meine Liebe«, meinte Derek kichernd. »Ich wette, die haben die Zeiteingabe nicht geändert, als die Uhren vorgestellt wurden. Ich an Ihrer Stelle würde eine Stunde früher nachschauen.«
    Kershaw widerstand der Versuchung nachzuhaken, wer denn für die Einstellung der Kameras zuständig sei, wenn nicht der Chef des gottverdammten Sicherheitsdiensts, und kehrte zu ihrem Sessel zurück. Als die Zahlen der

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