Sündenfall: Roman (German Edition)
Gästeliste stand, als Pater Pietruzki ihn rettete. Er wimmelte die entsetzten Fragen des alten Mannes beim Anblick seiner Gesichtsverletzungen ab, indem er ihm dieselbe Geschichte mit dem Taxiunfall auftischte wie der kleinen Polizistin. Warum sollte er den Mann grundlos in Angst und Schrecken versetzen? Die beiden traten in den Salon der Botschaft. Kultiviertes Stimmengewirr und das Klirren teurer Champagnergläser hallten in dem hohen Raum wider, und ein Schwarm befrackter Kellner schlängelte sich mit erhobenen Tabletts durch die Menge. An einem der großen Fenster saß ein Mädchen in langem Kleid und mit zu einem Dutt hochgestecktem roten Haar an einem Flügel und spielte eine lebhafte Polonaise .
Viele der Gäste begrüßten Pater Pietruzki oder verbeugten sich, als er raschen Schrittes den Raum durchquerte. Allerdings rissen sie beim Anblick seines lädierten und gefährlich wirkenden Begleiters erschrocken die Augen auf. Janusz blieb stehen, um sich ein paar überkandidelte Schnittchen von einem Tablett zu nehmen – er hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen –, was ihm den missbilligenden Blick einer älteren Dame einbrachte, die ein längst verstorbenes Tier, komplett mit Glasaugen, um den Hals trug. Janusz konnte der Versuchung nicht widerstehen, im Vorbeigehen den bepelzten Kopf der Stola zu streicheln, worauf der Dame fast die Augen aus dem Kopf fielen. »Benimm dich! Das war die Gräfin Jagielska!«, zischte Pater Piotr, sobald sie außer Hörweite waren.
Es war eindeutig eine illustre Versammlung. Neben dem alten Adel mit seiner fadenscheinigen Eleganz und der selbstbewussten, herablassenden Art bemerkte Janusz die teuren Maßanzüge der klasa biznes , die durch die Liberalisierung des polnischen Marktes zu Geld gekommen war. Der Priester blieb stehen, um mit einem dieser Neureichen zu plaudern. Der Mann hatte ein bauernschlaues Gesicht. Seinen einen Arm zierte eine Uhr mit zu vielen Zeigern, den anderen eine makellos gebaute, aber gelangweilt wirkende junge Frau von etwa neunzehn Jahren.
»Das ist der Besitzer der drittgrößten Spedition Europas«, verkündete Pater Pietruzki und sah Janusz gleichzeitig verlegen und aufgeregt an. »Er hat zugesagt, eine Million z ł otych zu spenden.«
»Nun, ich hoffe, dass er ordentlich für diese kleine Veranstaltung blecht«, brummte Janusz, während sie sich durch die Massen drängten.
Wie ein Schleppkahn mit einem zerbeulten Zerstörer an der Leine lotste Pater Piotr Janusz zu einer verhältnismäßig ruhigen Nische, wo zwei geschnitzte, vergoldete Sessel und ein niedriger Tisch standen. Das Gesicht vor Anteilnahme verzogen, sah er zu, wie sein Gast sich vorsichtig auf einem der zerbrechlich wirkenden Möbelstücke niederließ.
Nachdem Pater Pietruzki bei einem vorbeieilenden Kellner ein Tyskie bestellt hatte, beugte er sich vor. »Sicher kannst du dir denken, in welchem Zustand die arme Pani Tosik war, nachdem sie es erfahren hatte«, raunte er Janusz zu. »Der Polizist sagte, es sei eine Überdosis gewesen – narkotyki !«
Seine Lippen zitterten. »Das hätte ich nie von Justyna gedacht. Sie war so ein vernünftiges Mädchen und hat bei der Beichte nie etwas in dieser Richtung angedeutet!« Als ein Champagnerkorken knallte, zuckte er zusammen. Janusz hatte den alten Mann noch nie so verstört erlebt. Er streckte eine bandagierte Hand aus und tätschelte ihm verlegen die magere Schulter.
Offenbar hatte der uniformierte Polizist Pani Tosik genau um dieselbe Zeit von Justynas Tod in Kenntnis gesetzt, zu der er es von der unverschämten kleinen Polizistin erfahren hatte. Sie hatte eindeutig den Zeitpunkt so abgepasst, dass sie ihn damit überrumpeln konnte, bevor jemand Gelegenheit hatte, ihn zu warnen.
»Der Polizist hat sich nach dir erkundigt und angedeutet, du hättest Justyna gekannt …«, sprach der Priester weiter. Sein Blick war fragend, und man merkte ihm die Besorgnis an, da er ständig die Finger ineinanderflocht.
»Keine Angst, Pater«, meinte Janusz gerührt, weil der alte Mann sich Gedanken um ihn machte. »Wenn die policja etwas gegen mich in der Hand hätte, säße ich jetzt in einer Zelle.«
Allerdings rang der Priester weiter die Hände.
Er blickte über Janusz’ Schulter hinweg in die Menge. »Justynas Tod … ist eine Tragödie«, sagte er, und sein Tonfall wurde entschlossener. »Doch das macht es noch dringender, Weronika und Adamski zu finden.«
»Hör zu, Pater, ich habe dir ja erklärt, dass ich in eine Sackgasse
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