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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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dröhnte eine vertraute Stimme. Oskar wurde einfach nicht warm mit dem Gedanken, dass Mobiltelefone die menschliche Stimme tatsächlich auch in Normallautstärke übertrugen.
    »Kolego« , erwiderte Janusz erleichtert. »Ich habe versucht, dich anzurufen.«
    » Kurwa! Was ist los mit dir? Kriegst du einen Ständer, wenn du meine Stimme hörst?«
    Janusz schmunzelte. Oskar hatte schon immer ein Händchen dafür gehabt, selbst die tragischsten Situationen zu entspannen.
    »Wie dem auch sei, du Tunte, dein Schwanz ist mir zu klein. Also zieh das Höschen wieder hoch und verrate mir, was die verdammten Bullen von dir wollen.«
    »Die kleine detectywa ? Hat sie dich nach Dienstagnacht gefragt?«
    »Ja, hat sie. Aber komischerweise war der Empfang so schlecht, dass ich kein Wort verstehen konnte«, antwortete Oskar in tiefem Bedauern. »Und das mitten in London! Ich habe ihr gesagt, dass ich sie später zurückrufe.«
    Janusz grinste. » Brawo . Wenn du es tust, erzähl ihr, dass wir bis spätnachts bei dir getrunken haben. Ich bin erst um drei gegangen, okay?«
    » Tak . Überlass das nur mir, Janek. Ich rede mit ihr und feure aus beiden Rohren meinen alten Oskar-Charme auf sie ab. Nach fünf, maximal zehn Minuten wird sie mich anflehen, mit ihr auszugehen.«
    Janusz verabredete sich für später mit seinem Freund.
    Nach dem Telefonat holte er das Foto von Weronika aus seiner Brieftasche. Sie sah aus wie ein kleines Mädchen, das mit dem Pelzmantel seiner Mutter Verkleiden spielt. Es war zwecklos, sich damit zu zermürben, dass er Justyna im Stich gelassen hatte – das hätte geheißen, sich in Selbstmitleid zu wälzen. Seine aufgewühlten Gefühle hatten sich beruhigt und waren einer ehernen Entschlossenheit gewichen: Er würde alles in seiner Macht Stehende tun, um Weronika vor Pawel Adamski zu retten.
    Wieder läutete sein Telefon. Laut Display war es Pater Piotr Pietruzki.

ZWÖLF
    W ährend Kershaw losfuhr, bearbeitete sie die Überreste ihrer Fingernägel. Sie befürchtete, sie könnte Janusz Kiszka zu sehr provoziert haben. Nicht, dass seine Gefühle sie groß interessiert hätten, denn sie war überzeugt, dass er in den Mord an Justyna verwickelt war, ganz gleich, was für ein Alibi er und sein polnischer Freund sich auch zurechtzimmern mochten. Allerdings hatte sie die unangenehme Befürchtung, dass Bacon einen Tobsuchtsanfall bekommen würde, wenn er davon erfuhr.
    Der Sergeant hatte von Anfang an Einwände gegen ihre Deutung der im Mund des Mädchens gefundenen Visitenkarte von Kiszka gehabt. Seiner Ansicht nach bewies die Karte nicht, dass Kiszka am Tatort gewesen war. Vielleicht hatte sie sie ja benützt, um das Koks zu schnupfen, sagte er, eine Erklärung dafür, weshalb sie zusammengerollt war.
    Kershaw hatte nicht gewagt zu widersprechen, doch innerlich vibrierte sie vor Aufregung. Sie war überzeugt, dass diese auf den ersten Blick zufällige Überdosis durch die Karte zum Totschlag oder sogar zum Mord wurde. Ein Gorilla wie Kiszka hätte Justyna mühelos überwältigen, fesseln, ihr Drogen eintrichtern und sie dann vergewaltigen können. Vielleicht hatte das arme Mädchen ihr Schicksal ja vorhergeahnt und es in ihrer Verzweiflung geschafft, die Karte in ihrem Mund zu verstecken – und so mit dem Finger eindeutig auf ihren Mörder gewiesen.
    Bacon hatte ihr zugetraut, der Sache allein nachzugehen. Nun, offen gestanden war es, bis Terry dem Computer der Londoner Verkehrsbetriebe Namen und Adresse des Mädchens entlockt hatte, bereits zu spät für seine übliche Verabredung im Pub gewesen. Doch er hatte ihr unmissverständlich mitgeteilt, sie solle Kiszka nur wie einen möglichen Bekannten des Mädchens behandeln.
    »Wir schicken einen uniformierten Kollegen zu ihrer Adresse, um ihre Angehörigen ausfindig zu machen, und Sie besuchen diesen Mr Kiszka. Aber übertreiben Sie es nicht, Miss Marple«, hatte er sie gewarnt, als sie gemeinsam das Waveney Hotel verließen und die Drehtür sie hinaus in die winterliche Dämmerung spuckte. Er blieb stehen, um sich eine Zigarette anzuzünden, und sprach weiter, offenbar ohne den eisigen Wind zu bemerken, der vom Fluss heranwehte.
    »Wir haben keine Beweise dafür, dass er am Tatort war. Falls sich herausstellt, dass er kein Alibi hat, und Sie ihn auf dem Überwachungsvideo erkennen, sieht die Sache natürlich ganz anders aus.« Er zeigte mit der Zigarette auf sie und sprach weiter. »Wenn Sie ihn nämlich jetzt zu hart anfassen, wird er gar nicht mehr mit uns

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