Sündenfall: Roman (German Edition)
eine abscheuliche Fratze in Richtung Hörer schnitt.
»Haben Sie diese … Punkte auf ihren Nieren gefunden?«, erkundigte sie sich.
» Petechien? Ja, habe ich. Und da ich weiß, wie scharf Sie auf die Ergebnisse sind, habe ich dem Toxikologen ins Gewissen geredet. Es ist zwar noch nicht offiziell, aber die vorläufigen Tests weisen darauf hin, dass die junge Dame PMA im Blut hat.«
»Was ist mit Anzeichen dafür, dass sie gefesselt wurde, wie ich in meiner Mail geschrieben habe?«
»Nichts Eindeutiges, fürchte ich, Detective. Es fehlen auch Risse, Blutergüsse oder Abschürfungen in der Vagina, was bedeutet, dass sie aus freien Stücken Geschlechtsverkehr hatte.«
Ja, ja , dachte Kershaw – wenn man wie Kozlowska eine Wagenladung Drogen und Alkohol im Blut hatte, verwandelte sich »aus freien Stücken« in einen ziemlich dehnbaren Begriff. Waterhouse hatte kein Sperma an der Leiche sichergestellt. Also hatte der Mann ein Kondom verwendet. Allerdings hatte sich der Arzt die beste Nachricht für den Schluss aufgespart.
»Ich habe ein einzelnes Schamhaar gefunden, das, wie ich Ihnen zu meiner Freude mitteilen kann, mit einem intakten Follikel versehen ist. Wenn Ihr DS den Antrag abzeichnet, schicke ich es zum DNA -Test.«
Nachdem Kershaw aufgelegt hatte, boxte sie in die Luft. Bacon würde sicher mit einem DNA -Test einverstanden sein, und wenn der Mann vorbestraft war, war er in der nationalen Datenbank vermerkt. Dann würde sie zumindest wasserdichte forensische Beweise dafür vorlegen können, dass der Mistkerl am Tatort gewesen war – so sie ihn denn aufspürte.
Sie arbeitete sich durch die E-Mails in ihrem Posteingang, indem sie die meisten davon löschte: wieder eine Nachbarschaftsinitiative des Justizministeriums, eine Überstundensperre, eine Warnung an den Menschen, der immer seine Teebeutel in der Spüle liegen ließ (»Du weißt, dass du gemeint bist«), ein Abschiedsumtrunk heute Abend im Drunken Monkey (jemand von der Verkehrspolizei, den sie nicht kannte) und dazu noch eine Mitteilung an die leidgeprüften Uniformträger, die sie daran erinnerte, dass zum Dienst nur Socken in den vorschriftsmäßigen Farben, also Schwarz oder Dunkelblau, getragen werden durften. Als ob die korrekte Sockenfarbe eine Rolle spielen würde, wenn sich ein armer Teufel am Freitagabend vor der Dönerbude in der Leyton High Road zwischen einen betrunkenen Mistkerl und dessen Freundin warf, weil dieser die Frau gerade als Sandsack missbrauchte.
Also blieb nur noch eine lesenswerte Mail übrig: DI Bellwether hatte sein Versprechen wahrgemacht, die zugesagten Informationen zum Thema PMA herauszusuchen, und einen von der EU in Auftrag gegebenen Bericht mit dem Titel »Europa: Weltweit führend in der Herstellung synthetischer Drogen« angehängt. Der Bericht hatte zweihundertfünfzig Seiten, und Kershaw freute sich schon darauf, in der nächsten halben Stunde das Büro für sich zu haben, um ihn in Ruhe zu lesen – als Bacon und Tom Browning hereinkamen. Sie waren gerade dabei, sich über eine Verlautbarung von Scotland Yard zu ereifern, den Bacon auch gerne als »Traumfabrik« bezeichnete.
»So etwas nannten wir in der bösen alten Zeit, als ein Polizist noch reden durfte, wie ihm der Schnabel gewachsen war, EHS «, meinte Bacon und lehnte sein nicht unbeträchtliches Hinterteil an Kershaws Schreibtisch. »Ein Haufen Scheiße«, fügte er, scheinbar zu ihrer Aufklärung, hinzu, obwohl sie die Abkürzung schon hundertmal gehört hatte – meist aus seinem Mund.
»Worum geht es denn, Sergeant?«, erkundigte sie sich, während Browning ihr gegenüber seinen Computer einschaltete. Er grinste zwar so selbstzufrieden wie immer, hatte aber ein Stück Klopapier am Kinn kleben, weil er sich offenbar beim Rasieren geschnitten hatte.
»Ab jetzt sollen Fälle von Vergewaltigung nicht mehr von der Kriminalpolizei, sondern von einer Spezialeinheit bearbeitet werden«, erwiderte Bacon und kratzte sich eingetrocknetes Essen von der Krawatte. »Offenbar nehmen wir bösen, altmodischen Detectives Vergewaltigung nicht ernst genug, der Grund, warum die Verurteilungsquote bei elenden sechs Prozent liegt, wenn man den Obermuftis und ihren feministischen Freundinnen von der Drecksuni glauben kann.«
Sie zwang sich zu einem interessierten Lächeln.
»Was halten Sie davon, Browning?«, fragte Bacon und drehte sich zu ihm um.
»Ressourcenverschwendung, Sergeant«, meinte Browning und lehnte sich zurück. »Jemanden wegen Vergewaltigung zu
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