Sündenfall: Roman (German Edition)
mit fragend hochgezogener Augenbraue an. »Ich dachte, du wüsstest es«, fuhr er fort. »Ich habe gestern mitgehört, wie sie mit ihrer Freundin in Polen telefoniert hat – der mit dem komischen Namen …«
»Basia?«, schlug Janusz vor. Die Verniedlichung von Barbara klang für Londoner lustig.
»Ja, Bäscher«, bestätigte Ray und schüttelte den Kopf über diese seltsamen ausländischen Namen. »Ich bin also im Keller und zapfe gerade ein neues Fass an – da unten kann man nämlich alles hören. Wenn ich es richtig verstanden habe, war die Rede davon, ein Nagelstudio zu eröffnen. In Warschau, glaube ich.«
Janusz stritt ab, etwas von dem Plan zu wissen, doch als ihm die Tragweite der Worte klar wurde, wurde er von einem schrecklichen Gefühl der Hilflosigkeit ergriffen. Er erinnerte sich, wie Kasia sich vor einigen Wochen über Basias fantastik Geschäftsidee begeistert hatte, in der Hauptstadt einen Schönheitssalon aufzumachen. Schließlich hätten einige multinationale Konzerne, Banken und so weiter, inzwischen dort Niederlassungen gegründet, weshalb es im Geschäftsviertel von wohlhabenden Frauen nur so wimmelte.
Kasia hatte nie angedeutet, dass sie sich an dem Vorhaben beteiligen wollte. Allerdings wusste er, dass Steve, dieser chuj , sie ständig überreden wollte, London den Rücken zu kehren und in Polen, wo eine Unternehmensgründung günstiger war, noch einmal von vorne anzufangen. Und natürlich kam für Steve nur eine Lösung in Frage, bei der die ganze Arbeit an seiner Frau hängenblieb.
Nachdem Ray die Bombe hatte platzen lassen, verdrückte er sich an seinen Schreibtisch. Janusz rief nach Kasia, die herauskam und ihn, wie in Polen üblich, zum Abschied küsste. »Ich muss für ein paar Tage beruflich weg«, sagte Janusz und betrachtete seine Stiefelspitze. »Sehe ich dich, wenn ich zurückkomme?«
Sie zögerte, neigte dann den Kopf zur Seite und lächelte schief wie immer. »Natürlich, wir sind ja Freunde, oder?«, erwiderte sie, was seine Niedergeschlagenheit nur verstärkte. Offenbar war es ihm anzumerken, denn sie beugte sich zu ihm vor. »Hör zu, Janek, wahrscheinlich findest du, dass es mich nichts angeht, aber … Izas Tod … vielleicht musst du dir selbst verzeihen, was passiert ist.« Sie hielt inne und sah ihm in die Augen. »Möglicherweise hatte sie nicht genug Lebenswillen.«
Toll, dachte er. Sie wollte mit ihrem Ehemann, diesem Versager, nach Polen und ließ ihm zum Trost ein bisschen kostenlose Psychoanalyse zurück. Mit gesenktem Blick marschierte er los, während ihm von den Ereignissen des heutigen Tages der Kopf schwirrte. Er verstand nicht, warum er Kasia in der letzten Stunde sein Herz ausgeschüttet und ihr von der Demo und den alten Geschichten erzählt hatte. Vielleicht, damit sie begriff, dass sie ihr Leben vergeudete, wenn sie weiter bei Steve blieb.
Allerdings wusste er in seinem Innersten, dass sie uparty war – stur. Nein, mehr als stur, sie war unerbittlich. In der polnischen Sprache gab es keinen Ausdruck, der die in Stein gemeißelte Endgültigkeit dieses Wortes hinreichend wiedergegeben hätte.
VIERZEHN
D a die Überwachungskameras des Waveney Thameside Hotel offenbar von einem absoluten Vollidioten angebracht worden waren, würde Kershaw sich auf die Beobachtungsgabe des Rezeptionisten verlassen müssen, der in der Nacht, in der Justyna Kozlowska gestorben war, Dienst gehabt hatte.
Er hieß Alex Hurley, ein junger, schnieker Typ, der in einer neuen, schnieken Einzimmerwohnung am Rand von Stratford wohnte. Kershaw konnte ihn auf Anhieb nicht ausstehen – obwohl man zu ihrer Verteidigung anführen musste, dass sie nach einer halben Stunde, eingehüllt in Dieselabgase im Einbahnstraßengewirr, ziemlich ungnädiger Stimmung war.
Die Wohnung hatte Briefmarkengröße, sodass man sich kaum um die eigene Achse drehen konnte, war allerdings vollgestopft mit funkelnden, um Aufmerksamkeit heischenden Gerätschaften. »Nette Wohnung, die Sie da haben«, übertönte sie das Zischen des Dampfes, während er mit einer original italienischen Espressomaschine den Kaffee zubereitete. »Offenbar bezahlt Waveney seine Leute am Empfang ausgezeichnet.«
»Ach, ich bin Management-Trainee und verdiene deshalb recht gut«, erwiderte er mit offensichtlich falscher Bescheidenheit. »Andrew Treneman, der Direktor, schätzt, dass ich in ein paar Jahren selbst ein Hotel leiten werde.« Typischer Karriereschleimer, dachte sie, lächelte ihm dabei jedoch aufmunternd zu.
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